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SVIL Tagung 2006

Thema:

Was geschieht mit unserer Landwirtschaft?


88. Jahrestagung der SVIL an der ETH, Eidgen. Techn.Hochschule, Zürich
Freitag, 25. August 2006, 14 bis 17 Uhr, Hauptgebäude, ETH-Zentrum, Zürich City, Rämistrasse 101, Auditorium maximum

Referate und Diskussion

Einleitung

von Hans Bieri, Geschäftsführer der SVIL


Die SVIL, Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft, wurde 1918 gegründet als Antwort auf die Versorgungskrise am Ende des Ersten Weltkrieges. Im Ergebnis des Ersten Weltkriegs brach der Freihandel zusammen. Der Freihandel war vor dem Ersten Weltkrieg entwickelter als heute. Was geschah damals? Aus strategischen Überlegungen haben die Siegermächte entschieden, dass die Nahrungsmitteltransporte in die Schweiz, welche redlich bezahlt waren, wie das im freien Handel üblich ist, nicht freigegeben wurden. In kurzer Zeit fehlten 150'000 Tonnen Lebensmittel in den Ladenregalen und der Generalstreik in Winterthur, Zürich, Genf etc. war die Folge. Das führte zur Gründung der SVIL durch Schweizer Industrielle. - Wir schicken diese Feststellung bewusst unserer Tagung voraus, weil heute die Meinung vorherrscht, der Standpunkt der Wirtschaft sei der vorbehaltlose Freihandel und die eingeführten Regulierungen seien nicht eine Folge realer Konflikte und auf Initiative der Wirtschaft erfolgt, sondern die Regulierungen seien allein dem Gehirn weltfremder Isolationisten entsprungen. Ich betone das deshalb, weil die SVIL in der jüngeren schweizerischen Geschichte lebendiger Beleg dafür ist, dass die Wirtschaft selbst, weder der Staat noch Verbände oder die Politik, sondern die Unternehmer allein zum Schluss gekommen sind, dass die Ernährung mit der Entwicklung der internationalen Arbeitsteilung nicht sicherer wurde und dass die Erhaltung einer eigenen Lebensmittelversorgung zu den Errungenschaften eines hochentwickelten Industrielandes gehören muss.

Das haben die Industriellen, welche die SVIL gegründet haben, aus der Krisenanfälligkeit des Freihandels gelernt. Sie haben erkannt, dass der erneuerbare Ressourcenfluss vom Boden zu den Menschen (vorwiegend Lebensmittel) nicht verkümmern darf, weil ja die Wirtschaftstätigkeit eben nicht allein darin besteht, nur Waren zu tauschen, sondern dass dem Wirtschaften ein Ressourcenverbrauch zu Grunde liegt, der die Menschen erst in die Lage versetzt, frei die wirtschaftliche Tätigkeit zu gestalten. Und sie haben mit der SVIL versucht, den Gedanken der Innenkolonisation, also die Ressourcenfrage, nicht expansiv imperialistisch, sondern binnenorientiert durch ein Gleichgewicht von Ernährungsproduktion und Konsum zu lösen. Hier liegen die tragenden Gedanken der SVIL, die Probleme auf gemeinschaftlich eidgenössische Weise zu lösen. Dieser Ansatz war erfolgreich und ist ausbaufähig.

Dass diese Ideen nun heute trotz den lehrreichen historischen Fakten scheinbar bedeutungslos geworden sind, müssen wir klären.

Hört man sich heute die Kritik gegen die Erhaltung einer eigenen Landwirtschaft an, muss man zum Schluss kommen, dass es aus dieser Sicht bereits 1918 ein Fehler war, die SVIL zu gründen und die ganze durch den Freihandel stark reduzierte Landwirtschaft wieder aufzubauen. Man hätte die Dinge am besten damals schon vollständig und weiterhin den Marktkräften überlassen sollen. Generalstreik hin oder her.
Zum Konflikt zwischen der industriellen Wachstumslogik und der Landwirtschaft gäbe es dann zwei mögliche Verhalten:
a) eintreten und die Ursachen der Fehlleistungen zu beheben oder
b) den zunehmenden Ressourcenverbrauch, die Umweltschäden, die steigenden Krankheitskosten, die Hungertoten an der globalen Peripherie einfach zu ignorieren und den Wohlstandsnutzen des Wirtschaftens ausschliesslich am Geldwachstum zu messen.


Seit dem Paradigmenwechsel von 1989 und den Verheissungen, die Welt würde nun immer freier und friedlicher, ist immer deutlicher geworden, dass die Ressourcenfrage, die Endlichkeit der Welt und die Endlichkeit der Bodengrundlage ungelöste Fragen im globalen Wachstumsszenarium darstellen. Und es zeigt sich, dass eine Auseinandersetzung gewaltigen Ausmasses um Ressourcen auf uns zukommt. Die Erinnerung an die Zeit von 1918 ist eben deswegen interessant, weil die Gründer der SVIL im Ergebnis des Ersten Weltkrieges ja genau diese Auseinandersetzung bereits gesehen haben und bestärkt durch die gesellschaftliche Reaktion auf die Versorgungsknappheit im Inland die Ressourcenfrage zum Thema gemacht haben in der Überzeugung, dass das bisher in Wirtschaft und Politik übersehen wurde.
Wenn wir das verdrängen oder die Entstehung dieser Regulierungsversuche völlig entstellt wiedergeben, wie wir das in der Diskussion um die Agrarreform und vor allem um die Frage der Sicherung der Landwirtschaft und der Ernährung zur Zeit in den Medien erleben, dann entspricht das lediglich der geltenden wirtschaftlichen Logik, welche nicht begreifen will - aber es noch lernen muss, - dass unsere Lebens- und Naturgrundlagen einen Wert haben, der bei den reinen Preisvergleichen zwischen entwickelten Hochlohnländern und unterentwickelten Niedriglohnländern ebenfalls berücksichtigt werden muss. Damit haben wir nicht gesagt, das Problem sei gelöst, wenn wir den Ressourcen einen hohen Geldpreis geben, denn das würde nur zu riesiger Rentenbildung beitragen, welche die Wachstumswirtschaft und die Umtriebe erst recht anpeitschen würde. Die Vermehrung des Geldkapitals als alleiniges Motiv des Wirtschaftens und des Erfolges ist jedoch so nicht endlos durchzuhalten und hier müssen Lösungen gefunden werden. Die Unterbezahlung der Landwirt-schaft in der aktuellen Wachstumswirtschaft ist ein Teil, ein Aspekt dieses Konfliktes.
Prof. Hans Christoph Binswanger zeigt uns nun, wie die aktuelle Volkswirtschaftslehre Mühe hat, die Ressourcenfrage und deshalb auch die besondere Stellung der Landwirtschaft in der Industriegesellschaft zu verstehen und richtig einzuordnen. Er zeigt uns die Problematik der Landwirtschaft in der Wachstumswirtschaft. Hans Christoph Binswanger hat bereits an der 73. Jahrestagung der SVIL vom 31. Oktober 1991 zum Thema „Landwirtschaft zwischen Natur und Markt, die Bedeutung der Landwirtschaft in der wirtschaftlichen Entwicklung“ das Tagungsreferat gehalten. Wir versuchten damals bereits die Fragen der Agrarreform in einen breiteren Kontext zu stellen. Allerdings nahm die Agrarreform eine andere Richtung. Sie wird immer mehr zur Reform verbogen, wie die Wachstumswirtschaft sich jener Strukturen entledigen kann, welche den Wachstumsprozess bremsen. Und hier steht die Landwirtschaft oben auf der Liste. Die Landwirtschaft steht mit der Metropolisierung unseres Landes im Konflikt bezüglich Boden- und Wasserbedarf bis zur Raumplanung und bäuerli-chem Bodenrecht. Raumplanung und Regionalpolitik unterliegen dem gleichen Wachstumsdruck, welcher die Reformziele diktiert. Nicht nur die Metropolisierung drängt die Landwirtschaft beiseite, auch Gewerbe, KMU und die Industrie selbst ste-hen in einer expandierenden Wachstumswirtschaft und können unter diesen Vorzei-chen nur überleben, wenn sie expandieren - angetrieben durch die zurückzuzah-lenden Kredite und versorgt durch einen stetig zunehmenden Ressourcenverbrauch von Boden und Energie. Im soeben erschienen Buch von Hans Christoph Binswanger „Die Wachstumsspirale, Geld, Energie und Imagination in der Dynamik des Marktprozesses, metropolis, 2006, ISBN 3-89518-554-X, werden diese Zusammenhänge klar dargestellt.

Und unter diesen Drücken und unter dieser Dynamik droht auch die Reformpolitik zu kippen:
Die ursprüngliche Fragestellung war, wie erhalte ich Lebensqualität in einer Wirtschaft, welche die vorhandene Lebensqualität der Naturprozesse nicht anerkennt, sondern erst die industrielle Umarbeitung? Warum wird dadurch der erneuerbare Ressourcenfluss unserer Ernährung zerstört? Was müssen wir tun, um die Qualität der eigenen Ernährung zu erhalten? Diese Fragen beginnen sich umzukehren in die Fragestellung, wie weit kann oder will die offizielle Politik überhaupt noch Konzessionen machen, damit nämlich die Wachstumsziele nicht gefährdet werden, jedoch die ganze Sache, salopp gesagt, doch noch einen etwas „grünen“ Eindruck macht.
Auch bei der Kritik an den Direktzahlungen stellt sich ebenfalls die Frage der Ursa-chen. Die Direktzahlungen wurden beschlossen, um sinkende Einkommen wegen abgebauten Produktepreisen auszugleichen und um Leistungen, die nicht über die Produktepreise entschädigt werden, zu bezahlen. Wer dabei gedacht hat, damit seien die Ursachen der Einkommensprobleme der Landwirtschaft in der Industriegesellschaft und insbesondere auch die Konflikte innerhalb der Verarbeitungskette, siehe die neuesten Entwicklungen des Milchpreises etc. gelöst, muss zur Kenntnis nehmen, dass dem nicht so ist. Aber die Direktzahlungen können zur Zeit nicht beseitigt werden. Sie führen aber auch immer mehr von einer produktionsorientierten Landwirtschaft weg. Deswegen bricht auch hier der Wachstumsdruck durch und stellt die Direktzahlungen in Frage aus einem beschränkten Kontext heraus mittels einer neu lancierten Kritik an ihrer angeblich suboptimale Wirkung. Subventionen sind gemessen an den Kriterien der Wachstumswirtschaft jedoch nie optimal. Wir stehen vor einem Gordischen Knoten. Das Risiko zu unüberlegten Reformhandlungen steigt.
Je mehr dieser Wachstumsdruck anhält und sich steigert, je weniger wir die Ursachen, welche diesem Druck zu Grunde liegen, erkennen und darüber uns klar werden, umso wahrscheinlicher erleiden alle Bekenntnisse zu einer eigenen Landwirtschaftg, welche die Menschen, Stimmbürger, Konsumenten einmal aus ihrer Bedürfnislage heraus beschlossen haben, einen unvermeidlichen „Ermüdungsbruch“. Die Landwirtschaft wird nur noch wahrgenommen, als eine Struktur, welche das metropolitane Wachstum behindert. Auch die Reform, die ursprünglich die Aufgabe gehabt hat, die Unvereinbarkeit von Wachstumswirtschaft und Landwirtschaft zu überbrücken, droht selbst dem Wachstumsdruck zum Opfer zu fallen. Deshalb wollen wir nun erst einmal vom Historiker, Peter Moser, hören, wie die Gesellschaft seit Beginn der Industrialisierung mit ihrer Landwirtschaft umgeht und wie wir in die aktuelle Sackgasse geraten sind, um da wieder herauszukommen. Die Tagung ist eröffnet.

Zürich, 25. August 2006
Hans Bieri, Geschäftsführer der SVIL

Industrie und Landwirtschaft
Wie die Gesellschaft seit Beginn der Industrialisierung mit ihrer Landwirtschaft umgeht?

Dr. Peter Moser, Historiker, SVIL_

Die wirtschaftlichen Zielsetzungen in Industrie und Landwirtschaft,
Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Prof. Dr. Hans Christoph Binswanger, St.Gallen_

Diskussion_

Kurzzusammenfassung, wie weiter?

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