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SVIL Tagung 2006

Thema:

Was geschieht mit unserer Landwirtschaft?


88. Jahrestagung der SVIL an der ETH, Eidgen. Techn.Hochschule, Zürich
Freitag, 25. August 2006, 14 bis 17 Uhr, Hauptgebäude, ETH-Zentrum, Zürich City, Rämistrasse 101, Auditorium maximum

Referate und Diskussion

Begrüssung und Einleitung,
Hans Bieri, Geschäftsführer SVIL_

Industrie und Landwirtschaft
Wie die Gesellschaft seit Beginn der Industrialisierung mit ihrer Landwirtschaft umgeht?

Dr. Peter Moser, Historiker, SVIL_

Die wirtschaftlichen Zielsetzungen in Industrie und Landwirtschaft,
Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Prof. Dr. Hans Christoph Binswanger, St.Gallen_

Diskussion

H. G. Landolt Frage an P. Moser: Das Referat Moser hat klar die Verwirrung in Bezug auf die Grundlagen, welche die Arbeit in der Landwirtschaft und in der Industrie bestimmen, aufgezeigt. Welche Prognosen aus dieser Analyse heraus machen Sie für die Zukunft?
Frage an H. Chr. Binswanger: Wie bringen Sie die ökonomische Theorie mit den praktischen Schlussfolgerungen Ihres Referates zusammen? Müsste man nicht die ganz unterschiedliche Wertbildung in Landwirtschaft und Industrie auch in den Zusammenhang stellen mit der grossen Zukunftsfrage, dass nämlich die Einkommen nicht mehr ausschliesslich an die Arbeitsleistung gekoppelt werden können, sondern dass eine Entkopplung von Einkommen und Arbeitsleistung unumgänglich wird? Auch in der Landwirtschaft bestehen, wenn sie ökologisch ist und keine Massenproduktion, dann ist da ja ein enormer qualitativer Unterschied.
Wie steht es um die kulturellen Lebensgrundlagen einer lebendigen zukunftsfähigen Gemeinschaft?

P. Moser: Sie fragen mich nach Prognosen, die kann ich so nicht geben. Ich stelle nur fest, dass Gesellschaften, Gruppen und Individuen Mühe haben, sich mit dem zu beschäftigen, was konstitutiv für sie selbst ist. Also gerade die Projektionen befassen sich nicht mit den Fragen, welche wichtig und nahe liegend sind. Die Landwirtschaft z.B. ist, je marginaler sie wird, eine umso beliebtere Projektionsfläche. Die Menschen ahnen, dass Landwirtschaft, Kulturlandschaft sie irgendwo betreffen, aber sie ahnen es nur. Wir müssen lernen hinzuschauen, die Dinge richtig zu erfassen und zu benennen. Und das ergibt dann die Ermächtigung. Dort würde ich ansetzen.

H.G. Landolt: Kommt die grundsätzlich ausgebliebene Reformdiskussion in unserem Land in Gang oder nicht vor allem vor dem Hintergrund der genannten Risikothemen? Kann diese Reformdiskussion angestossen werden, z.B. auch von der SVIL?

P. Moser: Ja, das ist zu hoffen. Je mehr wir nur über Reformen reden, umso verdächtiger ist das in Bezug auf Veränderungen. Auf der anderen Seite haben wir reale Veränderungen, die passieren, die Auswirkungen haben. Dort werden wir gezwungen zu handeln. Das müssen wir uns erarbeiten und in Beziehung setzen zum steigenden Druck der nicht gelösten Probleme. Wir dürfen nicht auf den steigenden Druck hoffen, das gibt kaum Lösungen. Aber ein Zusammenspiel der Wahrnehmung der Realitäten und der Ereignisse. Dann braucht es Katalysatoren. Vielleicht ist die SVIL so ein Katalysator, um das in Gang zu setzen. Historisch gesehen ist die SVIL eine Verliererin, aber auch die Verlierer haben viel zur Geschichte beizutragen und immerhin gibt es sie heute noch, deshalb ist hier Zuversicht in der Richtung am Platz.

H. Chr. Binswanger: Ich bin da etwas anderer Auffassung und meine, dass es diesen Druck braucht. Wir haben nächstens die Diskussion der AP 2011 im Parlament, wir haben die Diskussion um den Freihandelsvertrag mit der EU, wir haben die WTO-Debatte, aber auch all die Fragen, die Herr Landolt angetönt hat, und ich glaube, dass es wirkliche Diskussion nur gibt, wenn solche Probleme anstehen und auch Lösungen diskutiert werden. Ich denke zurück an die homerischen Diskussionen um das Landwirtschaftsgesetz nach dem Zweiten Weltkrieg. Es braucht challenge und das muss man wahrnehmen und ein Weg dazu ist die heutige Veranstaltung. Und das muss dann weitergehen. Nun zur Frage wegen der Ökonomie. Auch diese steht vor den gleichen Herausforderungen wie die Landwirtschaft. Man muss unterscheiden zwischen den Marktbedingungen und den Produktionsbedingungen. Die offizielle Ökonomie hat die Möglichkeit die Dinge anzupacken und zum Beispiel die unterschiedlichen Marktbedingungen zwischen den heterogenen und den monopolistischen Produktionsangeboten aufzuzeigen und Klarheit zu schaffen. Mit diesen Begriffen wäre an sich Klarheit da. Das würde genügen. Nur man wendet diese Begriffe auf die Landwirtschaft nicht an. Warum wird das nicht angewendet, das haben H. Bieri oder P. Moser bereits gesagt, weil der Boden aus der ökonomischen Betrachtung herausgeflogen ist. Es wird die Sache so dargestellt, als ob das Bruttosozialprodukt allenfalls das Ergebnis wäre von Kapital, Arbeit und allenfalls technischem Fortschritt. Der Boden und die Rohstoffe fehlen aber. Man macht den Unterschied nicht zwischen der Landwirtschaft, die Boden nutzt auf der Erdoberfläche, und der Industrie, die fast unabhängig von dieser Bodenfläche allein von Energie und Rohstoffen lebt, die punktuell auf einer viel kleineren Fläche aus dem Boden herausholt und verarbeitet werden können - ohne das Handicap der Flächenbindung, wie sie die Landwirtschaft charakterisiert. Das ist eine fundamentale Differenz. Die kann in der Ökonomie nicht mehr wahrgenommen werden, weil die begrifflichen Grundlagen in der offiziellen Ökonomie nicht mehr drin sind. Das ist sehr wichtig, darauf müssen wir hinweisen. Und deshalb ist mein Bestreben, diese Diskussion in der SVIL aufzunehmen und darauf hinzuwirken zu zeigen, wie sind die wirtschaftlichen Grundlagen überhaupt und wie gehen sie ein in die gesamte Produktion. Das ist die Konsequenz, die ich ziehe, in der ökonomischen Debatte.

H. Bieri: Das heisst, wir müssen die Dinge klarer benennen, wir müssen ein Forum schaffen, damit diese Erkenntnisse und Feststellungen an die Öffentlichkeit getragen werden können.
Bei dieser Gelegenheit eine Zwischenbemerkung, im Forum liegen auch Beitrittserklärungen zu unserer Vereinigung auf. Sie helfen uns mit Ihrem Beitritt, diese Aufgabe besser wahrzunehmen.

Ernst Brunner, Oberburg: Jetzt haben wir 30 Jahre geredet und geschrieben. Das nutzt alles nichts. Wir müssen Nägel einschlagen mit Köpfen. Es ist nicht mehr „fünf vor zwölf“, sondern morgens um halb vier. Ich war heute morgen auf meiner Alp auf 1800 Meter; auf dem Weg hierher habe ich gehört, dass letztes Jahr zusätzlich 47'000 Personen mehr in die Schweiz eingewandert sind. Und umgekehrt haben wir hier mit der AP 2011 einen Vorschlag, dass 32'000 Personen aus der Landwirtschaft verschwinden sollen. Das passt nicht zusammen. Auch die Hotellerie kann mit ihrer Wertschöpfung von 10 Milliarden Franken ohne Landwirtschaft nicht leben. Ich war in ganz Europa und wenn ich zurückkomme, kommt mir die Schweiz noch vor wie ein Paradies. Was wollen wir denn noch mehr? Warum genügt das noch nicht? Warum reicht es nicht mehr für die eigene Ernährung zu bezahlen? Wir müssen umkehren.

Willy Zeller, Krauchtal: Wir sehen heute, wie die Energiepreise, das Heizöl etc. steigen. Wir kennen die heute propagierte Pelletsheizung. Sie kostet pro Tonne ca. 350.- Fr.. Sie könnte im Vergleich zum Ölpreis Fr. 500.-/t kosten. Zur Zeit ist es sogar lohnender Weizen zu verbrennen anstatt Erdöl. Da kann ja etwas Grundsätzliches nicht mehr stimmen. Wird in Zukunft eine Konkurrenz entstehen in der Landwirtschaft, so dass die Landwirtschaft vermehrt Energie anstatt Nahrungsmittel produziert?
Im schweizerischen Mittelland produzieren wir durchschnittlich 12 t Biomasse pro Hektar. Ein Hektar Grüne, ob Wald, Mais oder Gras spielt weniger eine Rolle. Es hängt viel mehr vom Klima ab, der Sonnenwärme, dem Wasser etc. als von der Pflanze selbst. Das heisst, wir müssten nur auswählen, was am günstigsten für die Energieproduktion ist. Würden wir nur den Waldzuwachs der Schweiz energetisch verwerten, könnten wir etwa 6 bis 7 Kraftwerke von der Grösse von Mühleberg betreiben. Das heisst, es sind Alternativen zum Erdöl und zur Klimagefährdung. Stehen wir hier an einem Scheideweg?

H. Chr. Binswanger: Die Energieproduktion aus Biomasse ist heute noch nicht lukrativ, wenn man das nicht wesentlich unterstützt durch entsprechende Verbilligungen der Einspeisung ins Netz. Die Frage ist aber überhaupt, ob die Landwirtschaft nun nur noch zum Energieproduzenten werden soll anstatt Nahrungsmittel zu produzieren? Hier habe ich meine Bedenken. Ich weise hin auf die Zeitschrift für erneuerbare Energie, insbesondere auch für Biomasse und Holz. In der Sondernummer 2006 wird berichtet über den 2. Schweizer Biomasse-Gipfel und darin kommt die Präsidentin zu folgendem Resultat: am meisten beeindruckt hätte sie die Aussage verschiedener Redner, dass es sowohl ökonomisch wie auch ökologisch sinnvoller ist, Lebensmittel zu produzieren als Energiepflanzen anzubauen. Das heisst, man muss unterscheiden zwischen dem Anbau von Energiepflanzen, die nur für den Zweck angebaut werden verbrannt zu werden, oder ob es um gewisse Abfälle geht, die bei der Pflanzenproduktion ohnehin anfallen, insbesondere auch im Wald. Man muss diese Unterscheidung machen. Es ist ein gewisses Potenzial in der Landwirtschaft für die Energienutzung vorhanden, das man nutzen soll. Aber ich möchte davor warnen, dass die Landwirtschaft nun Energie- anstatt Nahrungsmittel für den nahen Konsum produzieren soll.

Benno Studer, Rechtsanwalt, Laufenburg: Die AP 2011 sieht ja vor, die Qualifikation, die an das landwirtschaftliche Gewerbe gestellt wird, zu erhöhen. Das hat zur Konsequenz, dass für sehr viele Betriebe das Ertragswertprinzip nicht mehr gilt, das heisst, vor allem in der Erbteilung findet dann das Verkehrswertprinzip Anwendung. Dadurch werden viele Betriebe aufgelöst und geben die Landwirtschaft auf. Das ist eine politische Entscheidung, ob das gewollt oder nicht gewollt ist. Wenn ich nun die Politik der letzten Revisionen ansehe, dann fällt mir auf, dass auf der anderen Seite eine Lockerung vorgenommen wird, die erlauben soll ausserlandwirtschaftliches Einkommen zu generieren, das den Verlust am landwirtschaftlichen Einkommen auffangen soll. Nach der neuen Konzeption ist es nun so, dass dieses zusätzliche nichtlandwirtschaftliche Einkommen zum landwirtschaftlichen Einkommen gezählt werden soll. Das heisst, dass dann die Qualifikation als landwirtschaftliches Gewerbe gleichwohl erreicht werden soll. Wie beurteile Sie diese Entwicklung als Ökonom, ist diese Entwicklung von Gutem, oder führt dies ebenfalls in eine Sackgasse, dass wir in der Landwirtschaftszone dann vor allem Verkaufsläden und weitere Entwicklungen haben...

H. Chr. Binswanger: Ich bin auch der Meinung, dass das ein Weg ist der „Gesundschrumpfung“ der Landwirtschaft gegen Null. Ich meine auch, dass alle diese Öffnungen nicht genügen, damit die Landwirtschaft ein genügendes Einkommen erreichen kann. Und dass man dann immer weitergehen muss mit der Öffnung, bis die Landwirtschaft vollständig in die Industriewirtschaft integriert ist, und diese Integrierung ist erst erreicht, wenn die Landwirtschaft nicht mehr existiert. Natürlich sind diese Öffnungen und zusätzlichen nichtlandwirtschaftlichen Wertschöpfungen Versuche, um das zu tiefe Einkommen der Landwirtschaft aus der Lebensmittelproduktion auszugleichen. Aber diese Massnahmen werden wie auch die Vergrösserung der Betriebe nicht das Grundproblem der Unterbezahlung und der Notwendigkeit der Transferzahlungen vom den anderen Sektoren in den landwirtschaftlichen Sektor ersetzen können. Die Aufstockung durch nichtlandwirtschaftliche Einkommensmöglichkeiten ergibt nur vorübergehende Verbesserungen und nachher wird die Einkommensverschlechterung immer weitergehen.

H. Bieri: Und es ist eine Erscheinung, die in der Schweiz nahe liegend ist, dass die Siedlungsentwicklung und die nicht standortgebundenen Nutzungen, die nicht flächengebunden sind, dass diese als Einkommensersatz dienen sollen und damit eine Verunklärung der Trennung Bauzone - Landwirtschaftszone entsteht, was mit der Zeit den raumplanerischen Schutz der bodengebundenen Produktion und das Ertragswertsprinzip angreifen wird.

Christian Hodorn, Unternehmer, Leimiswil, Bernbiet, Grossrat, Kt. Bern: Ich möchte eine Anmerkung machen und eine Frage stellen: wir reden über die Landwirtschaft, ich bin als selbständiger Unternehmer und Güllentechniker, der die Landwirtschaft beliefert, davon überzeugt, dass wir alle im gleichen Boot sitzen, der Schreiner, der Zimmermann, die KMU, alle leben von Investitionen, welche die Landwirtschaft auslöst. Von all dieser wirtschaftlichen Wertschöpfung redet niemand. Aber auch wir Unternehmer ausserhalb der Landwirtschaft sitzen mit der Landwirtschaft im gleichen Boot und müssen mithelfen, die Bodenhaftung zu behalten, damit wir nicht hochgestemmt werden und erwürgt werden können, wie H. Chr. Binswanger das angesprochen hat. Wir müssen schauen, dass das ganze Boot nicht untergeht.

H. Chr. Binswanger: Ich kann diese Aussage nur bestätigen, sie stimmt voll und ganz.

W. Zeller: ... ich möchte ergänzen, wenn wir weiterfahren und die Landwirtschaft Weltmarktpreisen aussetzen, dann kommt es so. Der Weizen ist jetzt ein Beispiel, ... dass wir schon...
H. Chr. Binswanger: Es kommt ja nicht einfach so, sondern nur, wenn wir statt der Landwirtschaft die Energieproduktion durch die Landwirtschaft unterstützen. Mit den jetzigen Preisen können wir nicht konkurrieren, wir müssten also wesentliche zusätzliche Subventionen für die Energieproduktion geben.

H. Bieri: Das ergibt sich ja daraus, dass ja generell die Rohstoffpreise zu tief bewertet sind, deswegen kann die Energieproduktion durch die Landwirtschaft das fehlende Einkommen aus der Lebensmittelproduktion nicht ersetzen.

W. Schlumpf: Die Schweiz hat im globalen Vergleich gemessen an den Lebenskosten sehr tiefe Nahrungsmittelpreise. Dieser Anteil der Lebensmittelkosten an den gesamten Konsumausgaben geht immer mehr zurück. Dort müssen wir ansetzen. Das wäre möglich. Wenn wir die Preise an einem solchen Lebenskostenindex orientieren würden, dann wäre die Einkommenssituation der Landwirtschaft bedeutend besser. Dann sind die Nachgelagerten gefragt. Die müssen die Strukturen ändern. Wir in der Landwirtschaft haben die Strukturen bereits geändert. Aber wenn die Landwirtschaft das allein machen muss, kommen wir so nicht weiter. Die Nachgelagerten müssen die Qualität an den Konsumenten weitergeben und dadurch einen höheren Preis lösen. Siehe die Sika. Die hatte immer höhere Rohstoffpreise und hat diese Kosten durch Strukturanpassungen aufgefangen. Dass können unsere Nachgelagerten auch machen.



T. Lepori, Kantons- und Gemeinderätin: Ich habe die heutige Einladung wegen meinen politischen Ämtern erhalten. Diese hier behandelten Fragen und Problemkreise müssen unbedingt vermehrt in die Öffentlichkeit getragen werden. So etwas wie die heutige Veranstaltung hat gefehlt. Ich erlebe diese Diskussionen nur innerhalb der landwirtschaftlichen Kreise oder unter Politikern. Ich bin aber hier als Schweizer Bürgerin und als Konsumentin und habe ein grosses Interesse an der Erhaltung einer starken Landwirtschaft für die Zukunft. Diese Gruppe der Konsumenten und Bürger müssten wir mehr einbinden in diese ganze Problematik. Diese Gruppe bzw. wir KonsumentInnen und BürgerInnen entscheiden ja, welche Produkte wir kaufen.
(starker Applaus)

Charles Aebersold, Gemüsebauer, Präsident Fachkommission Agrarpolitik, Berner Seeland: Das Votum von Frau Lepori geht genau in diese Richtung, was ich sagen möchte. Wir Bauern haben ja das Problem, wir sind ja eine kleine Minderheit. Und Minderheiten müssen sich anders verhalten als Mehrheiten. Man kann nicht einfach fordern, man muss überzeugen. Ich möchte die Referenten fragen, wie müssen wir uns verhalten? Ich kann Ihnen kurz das an drei Beispielen verdeutlichen. Ich bin heute von Bern nach Zürich gefahren und habe einen Salatteller gegessen im Zug. Ich habe dafür 6 Franken achtzig bezahlt, das ist für mich nicht zu teuer. Wissen Sie, wie viel der Produzent von diesen sechs Franken achtzig bekommt? Er bekommt zehn Rappen. Und in der Öffentlichkeit heisst es, unsere Landwirtschaft sei zu teuer. Wenn wir 15 Rappen hätten, dann hätten wir einen sehr guten Preis und keine Probleme. Das muss man wissen. Anderes Beispiel: Jedes Jahr werden x-tausend Tonnen Gemüse von Spanien nach Mitteleuropa transportiert. Die Transportdistanzen betragen zwei- bis zweieinhalbtausend Kilometer. Gemüse besteht zu 98 % aus Wasser. Wir sind in der Schweiz mit Wasser gesegnet. Dort, wo das Gemüse in Spanien produziert wird, haben die Leute nicht einmal genügend Trinkwasser. Ist das sinnvoll? Wie können wir das unseren Leuten rüberbringen? Das letzte Beispiel: Israel führt Kriege wegen Wasser. Dann werden die Wüsten fruchtbar gemacht und dann das Gemüse in Gebiete wie die Schweiz exportiert. Wie sinnvoll ist das? Wie können wir diese unsinnigen Entwicklungen verständlich machen? Die Medien wollen das offensichtlich nicht aufnehmen, denn das wäre eine positive Nachricht für die schweizerische Landwirtschaft. Es müssen negative Berichte über unsere Landwirtschaft gemacht werden. Davon sind die Seiten voll.

H. Chr. Binswanger: Ich habe die Wasserfrage ja angesprochen, dass da ein komparativer Vorteil für die Schweiz besteht. Das sollte man wahrnehmen und das wird sich in Zukunft auch verstärken. Natürlich haben Sie Recht, dass die Lebensmittelpreise in der Schweiz nicht so hoch sind, weil die Produzentenpreise so hoch sind, sondern weil die Margen so hoch sind. Vielleicht ist es dann so, dass die Konsumentenpreise sinken werden, nicht weil man weniger bezahlt an die Produzenten, sondern weil Lidl und Aldi Migros und Coop konkurrenzieren werden. Also das wäre noch eine andere Frage, wie sind diese Margen im Handel zu korrigieren?

A. Caspar: Herr Professor Binswanger, wollen Sie vielleicht einmal darstellen, dass die heutige Geldschöpfung keinen inneren Zusammenhang mit der Produktion hat und dass die permanente Geldmengenvermehrung und die Kreditmengenvermehrung im Bankensystem letztlich alle Produzenten zur Strecke bringt, die ihre Produktion nicht quantitativ ausdehnen können, und damit ja an erster Stelle, wie Sie es ja im Grunde genommen geschildert haben, an erster Stelle die Landwirtschaft. Bitte, erklären Sie die heutige Geldschöpfung, dann wird den Menschen hier schon etwas aufgehen.

H. Chr. Binswanger: Ich würde das gerne machen, aber das braucht ein bisschen Zeit. Der erste Teil ist nicht ganz richtig. Die Vermehrung des Geldes passiert ja über Investitionen, also es wird auch die Warenproduktion vermehrt, natürlich vor allem in der Industrie und nicht in erster Linie in der Landwirtschaft, weil da ja diese Produktionsprobleme bestehen durch der Beschränkung des Bodens. Diese Differenz ist natürlich da gegeben. Aber Sie haben natürlich Recht, diese Frage müsste geklärt werden.

A. Caspar: Der Mangel unserer heutigen Ökonomie ist doch, dass sie kein anderes Wertverständnis hat als den Geldpreis.

H. Chr. Binswanger: Das ist so.

A. Caspar: Da liegt der Punkt. Das ist der Mangel unserer Wissenschaft und in der Praxis ist der Punkt die permanente Geldvermehrung. Deshalb ist jede Diskussion für mich lächerlich, wenn das Publikum nicht begreift, wie die heutige Geldschöpfung stattfindet und was das beinhaltet.

H, Bieri: In diesem Zusammenhang und zu diesem Thema erwähne ich das von Prof. Binswanger kürzlich vollendete Buch, Die Wachstumsspirale. Wir haben draussen ein Exemplar aufgelegt. In diesem Buch wird die von Herrn Caspar angesprochene Frage behandelt und dargestellt. Ich nehme diese Frage gerne als Anlass und Hinweis, dass wir auch in dieser Frage informieren müssen, um auch die Frage des Gemüsebauern beantworten zu können, warum diese systematische Unterbezahlung der Landwirtschaft und diese tiefen Produzentenpreise bestehen bleiben oder weiter sinken trotz wirtschaftlichem Wachstum, trotz einer kaufkräftigen Schweiz.

Raymond Gétaz, von der europäischen Kooperative Longo Mai aus Le Montois: Longo Mai hat Kooperativen im Berggebiet in ganz Europa. Wir bedanken uns bei der SVIL, dass wir unsere Petition vorstellen können, Stoppt die Landflucht - das Essen kommt nicht aus dem Supermarkt. Die Petition liegt ebenfalls draussen auf und wurde von der Kooperative Longo Mai zusammengestellt. Vor vier Jahren hat sich Longo Mai mit Erfolg gegen den Abbau der Stützungen für die Wollverwertung gewehrt, weil der Bund die erneuerbare Ressource Wolle kurzsichtigen Budgetkürzungen opfern wollte. Das Parlament machte eine Kehrtwende und seitdem haben sich neue Nutzungsmöglichkeiten für die Wolle aufgetan.
Heute mit der AP 2011 (Agrarpolitik 2011) sind wir in einer ähnlichen Situation. Aber diesmal geht es um die ganze Ernährung. Nach dem Direktor des BLW gibt es keine Alternative zur AP 2011. Aber wird sind nicht in Amerika und wir wollen keine kalifornischen, aber auch keine südspanischen Zustände, die vorher angedeutet wurden mit ihrer ausbeuterischen Agrarindustrie. Wir wehren uns auch gegen einen Vorschlag, welcher der Verfassung widerspricht. Die fünf Gründe:
1. Die AP 2011 will die Hälfte der Bauernbetriebe der Schweiz dazu zwingen ihre Existenz aufzugeben. 32'000 Betriebe sollen verschwinden.
2. Die AP 2011 verlagert die Arbeit vermehrt auf LandarbeiterInnen. Das heisst, mit der Vergrösserung der Betriebe braucht es in Spitzenzeiten zunehmend Billigarbeitskräfte, die wie in Südspanien aus MigrantInnen rekrutiert werden.
3. Die AP 2011 will zudem Jugendliche entmutigen, den landwirtschaftlichen Beruf zu erlernen. Im Text steht, der Anreiz zum Einstieg in die Landwirtschaft soll reduziert werden.
4. Die AP 2011 macht den landwirtschaftlichen Boden wieder zum Spekulationsobjekt.
5. Die AP 2011 fördert den Ausbau einer Erdöllandwirtschaft, die viel mehr Kalorien verbraucht, als sie selbst erzeugt. Wir wissen alle, dass die Reserven endlich sind. Jedoch wird die Zerbrechlichkeit dieser fremdenergieabhängigen Landwirtschaft völlig ignoriert.
Die AP 2011 ist ein sozialer, ökologischer und ökonomischer Unsinn. Vielleicht brauchen wir schon morgen die fachkundigen Hände wieder, welche die AP 2011 verdrängen will.
Die von Longo Mai lancierte Petition soll diese öffentliche Diskussion ebenfalls in Gang bringen, eine Diskussion in dem Sinne, wie es Frau Lepori eingangs angeregt hat. Die Petition ist bis jetzt von 15'000 Personen unterschrieben worden. Sie verlangt vom Bundesrat und Parlament eine Richtungsänderung im Bereich der angeführten Hauptpunkte,
1. die bestehenden Betriebe zu erhalten,
2. die Jugendlichen aus Stadt und Land zu ermutigen, landwirtschaftliche Berufe zu erlernen,
3. den in der Landwirtschaft Beschäftigten die gleiche Anerkennung und die gleichen Rechte wie den anderen Berufsgattungen zu garantieren,
4. Bauernhöfe der Spekulation zu entziehen,
5. eine erdölunabhängige Landwirtschaft und eine ortsnahe Grundversorgung zu fördern.
Ich bitte Sie, sehr geehrte Damen und Herren, diese Petition zu unterstützen und die Diskussion in die Gesellschaft zu tragen.

Marcel Liner, Pro Natura: Ich möchte Prof. Binswanger fragen und zwar betrifft es die vorerwähnte Erdöllandwirtschaft. Herr Aebersold hat gesagt, wie von Spanien Gemüse in die Schweiz transportiert wird. Es geht um die Verbrauchssteuern, Energiesteuer, CO2-Abgabe. Müsste die Landwirtschaft und die vor- und nachgelagerte Stufe, welche ein Interesse an einer starken Landwirtschaft hat, sich nicht eben für diese Steuern einsetzen, weil sie den Preis der Energie erhöht und grundsätzlich uns allen wieder zu Gute kommt, wenn man diese Steuer so ausgestaltet, dass dann die Allgemeinheit wieder davon profitiert, z.B. mit Rückvergütung an die Bevölkerung, wie in der CO2-Abgabe vorgesehen?

H. Chr. Binswanger: Im Prinzip haben Sie Recht, nur muss man bedenken, die Zufuhr von ausländischen Produkten, die nicht durch eine Energiesteuer in der Schweiz betroffen werden, konkurrenziere die Schweizer Produkte. Diese Abgabe müsste europaweit passieren, damit sich dieser Effekt ergibt. Im Prinzip bin ich für diese CO2-Steuer, aber es ist auch die Landwirtschaft, die sehr viel Energie braucht. Man muss das genauer abwägen, der Grundsatz ist schon wichtig, aber die Anwendung ist eine komplexe Frage.

H. Bieri: Man muss also die Konkurrenzsituation, in der die Landwirtschaft steht, genau berücksichtigen.

Jakob Bärtschi Lützelflüh: Ich bin Bio-Bauer und Schätzer. Gestern kam ein Mineralstoffhändler auf unseren Betrieb, der nun von meinem Sohn geführt wird. Der Händler hatte die Schiebetüre seines Verkaufswagens offen und präsentierte auf drei Regalen Trinkflaschen mit der Aufschrift „Antischlamp“. Auf meine Frage, was das soll, antwortete er, das sei sein meist gefragtestes Produkt. Über 50 % der Betriebsleiter seien offensichtlich psychisch stark angeschlagen und dieser Drink helfe ihnen wieder auf die Beine. Ich frage mich, ob ein Berufsstand, der zu 50 % angeschlagen ist, überhaupt noch zu einer klärenden Auseinandersetzung im Stande ist.

P. Moser: Die Frage ist ja schon, wie geht eine Gruppe damit um, wenn ihre Art zu wirtschaften nicht verstanden wird und auch nicht in der Gesellschaft anerkannt und honoriert wird. Man kann wie dieser Händler den Konflikt zum Geschäft machen oder aber wir sollten das zum Anlass nehmen zu überlegen, was hier wirklich abläuft. Das ist mein Anliegen, dass wir uns fragen, wo liegen die Ursachen, dass es soweit kommt?

Urs Hans, Turbental, Biolandwirt: Ich habe eine Frage an Prof. Binswanger. Peter Moser hat gesagt, Integration durch Unterordnung oder wie man auch sagen kann durch Unterdrückung. Sie, Herr Prof. Binswanger, sagen, die landwirtschaftlichen Produkte sind homogen, sie sind austauschbar. Weshalb ist das so? Das ist ja gerade das Ziel der Konzerne weltweit, dass die Lebensmittel zu homogenen, handelbaren Rohstoffen gemacht werden. Diese Normierungs- und Vereinheitlichungstendenz wird auch bei der Gentechnologie im Pflanzenbereich deutlich. Die Gentech-Firmen wollen hitze-, kälte- oder sonstig resistente Pflanzen herstellen. Im Grunde wollen sie die Pflanzen nur patentieren. Im Grunde gibt es diese Pflanzen in der Natur schon. Und weltweit haben wir einen extremen Artenschwund, weil eben alles homogen sein soll. Das ist ein Diktat der Wirtschaft und des Handels. Irgend etwas stimmt so nicht in der Ökonomie, weil ja so die Landwirtschaft nicht bestehen kann. Die Landwirtschaft ist ja vielfältig, aber das wird alles gleich gemacht, es wird alles plafoniert, homogenisiert bis zur Milch. Hier muss von der ökonomischen Lehre her etwas im Ansatz falsch sein. Wo ist denn noch die Landwirtschaftspolitik? Es wird doch nur noch gemacht, was die Konzerne vorgeben.
Es vollzieht sich weltweit ein Genozid an der Landwirtschaft.
Wenn die Schweiz als Industriestaat eine Landwirtschaftpolitik zur Erhaltung einer vielfältigen Landwirtschaft befürwortet und umsetzt, dann hat das Signalwirkung.
Wir müssen eine Umkehr machen.

H. Chr. Binswanger: Ich bin mit Ihnen im Grundsatz einverstanden. Es ist aber nicht so, dass nur die Konzerne homogenisieren, sondern es ist so, dass Naturprodukte eine gewisse Homogenität und Uniformität haben, weil der Salat vom Bauern A gleich dem Salat vom Bauern B ist. Es sei denn, es gehe um die biologische Landwirtschaft. Wenn der Verarbeiter/Verteiler Landwirtschaftsprodukte kauft, ist es ihm völlig egal, wer liefert. Massgebend und entscheidend ist allein der Preis. Das ist eine Naturtatsache, die der Landwirtschaft einen gewissen Nachteil versetzt gegenüber der Industrie, welche zwar auch homogenisiert, aber mit einer Marktmacht sondergleichen, welche auch dann eine Marke hat, welche höhere Preise realisiert und durch qualitative Änderungen immer neue Produkte herstellen kann. Es ist schon so, dass letztlich die industrielle Produktion einen Vorteil hat gegenüber der Landwirtschaft. Deswegen wird es nicht gehen ohne gewisse Transferzahlungen von der Industrie an die Landwirtschaft, weil diese Differenz ausgeglichen werden muss.

Peter Kistler, Gemüseproduzent, Reichenburg: Ich bin Gemüsegärtner. Ich setze meine Hoffnung auf die Natur. Wir brauchen nur noch ein paar solche Extremsommer europaweit wie der jetzige. Wenn ich sehe, was die Grossverteiler fertig gebracht haben, sie sagten uns vor kurzem, was wollt ihr, wir sind doch auf euch gar nicht angewiesen, wir können doch alles importieren. Dann innert weniger Tage haben sich die Importpreise verdreifacht, vervierfacht und verfünffacht. Zwei Wochen später war europaweit keine Ware mehr auffindbar. Also es gibt einige Artikel, welche die Grossverteiler gar nicht mehr in ihren Verkaufsregalen drinhaben. Jetzt kommen bereits wieder die Grossverteiler auf uns schweizerische Produzenten zu und sagen uns, was habt ihr denn für eine Anbauplanung? Seid ihr nicht fähig zu produzieren? Das ist der Markt. Ich sage, die Natur kann das alles völlig ändern. Wenn die Natur uns so noch einige Male hilft, ist jede Diskussion über die Verdrängung der Naturgrundlage durch unsere heutige Wirtschaftslehre überflüssig.

Ivo Muri, Unternehmer, Sursee: Wir werden nicht verlieren. Wenn wir, die SVIL, verlieren, dann verlieren wir alle. Es muss uns gelingen, den Menschen in unserem Land zu erklären, dass es um Ernährungswirtschaft geht, um das tägliche Brot. Als Unternehmer erlebe ich Leute wie Beat Kappeler, die kommen an Veranstaltungen und sagen uns Unternehmern, die wir auch im Wettbewerb stehen, wir könnten uns unsere Landwirtschaft nicht mehr leisten mit mehreren Milliarden an Subventionen, nur damit die Bauern ihr Land an ihre Kinder vererben können. Das sagte Beat Kappeler in Sursee. „Dämonisierung der Landwirtschaft“, dieser heute von Peter Moser verwendete Begriff trifft auch hier zu. Die Landwirte werden offensichtlich dämonisiert. Es muss gelingen zu zeigen, wie hier alle durch die Ernährung betroffen sind. Da brauchen wir auch kurze Argumente wie etwa den Vergleich, dass 3 % der schweizerischen Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeiten und dass die Ausgaben für die Ernährung jene für die Vergnügungsindustrie übertreffen. Auch müssen wir immer daran denken: alle 7 Sekunden verhungert ein Mensch. Wir können in dieser Situation nicht unsere Landwirtschaft abschaffen. Es dürfen nicht Nahrungsmittel aus Kontinenten exportiert werden, wenn die dort ansässige Bevölkerung wegen Hunger stirbt. Wir sollten diese Argumente auf ein A4-Blatt schreiben und jeder gibt dieses Blatt an 10 Leute weiter. So können wir etwas auslösen.

Werner Schüpbach, Worb (nachgereichtes Votum): Die grösste Tragödie ist, dass die Lebensmittel als Rohstoffe verstanden werden. Das ist auch eine der von Peter Moser erwähnten Begriffsverwirrungen. Das ist eine Folge davon, dass wir die Natur wie Prof. Binswanger sagt, nicht als Wert anerkennen sondern nur die industrielle Verarbeitung als wirtschaftliche Wertschöpfung zählt. Unter der aktuellen wirtschaftlichen Situation des Wachstumsdruckes sind wir gezwungen, unsere lebendige Nahrung immer weiter verarbei¬ten zu müssen, weil nur so Einkommen erzielt werden kann. Damit sinkt aber unvermeidlich die Qualität der Lebensmittel. Durch die verschiedenen zunehmenden in der industriellen Verarbeitungslogik aneinander gereihten Verarbeitungsstufen erhöht sich die Distanz räumlich und zeitlich zwischen dem lebendigen Boden, wo die Lebensmittel biologisch entstehen, und dem Konsum der verarbeiteten Stoffe. Dadurch werden die Lebensbedürfnissen des Konsumenten nach frischen Lebens-mitteln immer schlechter befriedigt. Das geht zu Lasten der Gesundheit. Je weniger wir für die Landwirtschaft ausgeben und je mehr wir sie zu reinen Rohstofflieferanten hinunterdrücken, umso mehr steigen die Krankheitskosten an. Hier bahnt sich im Bereich der Industrialisierung der Ernährung ein enormes Problem an, das damit zusammenhängt, dass nur die industrielle Verarbeitung eine ökonomische Wertschöpfung erlaubt und dass dem frischen Produkt ab Feld oder Garten nur ein völlig unterpreisiger „Rohstoffpreis“ zugestanden wird. Das führt zur Verdrängung von Landwirtschaft und Gartenbau durch eine rein industriell geführte Rohstoffproduktion mit allen erdenklichen Schäden für die Gesundheit und die Ökologie.
Bereits Dr. Maximilian Bircher hat 1900 in seiner Ernährungslehre gezeigt, dass für die Gesundheit der Lebensmittel und ihre Heilkraft nicht der Kaloriengehalt sondern der zweite Hauptsatz der Thermodynamik bzw. das Entropiegesetzes also der Ordnungsrad der in ihr enthaltenen Energie entscheidend ist. Die Energie der lebendigen Zellen der pflanzlichen Frischkost ist von der Art des Sonnenlichtes. Die lebendigen Pflanzenzellen sind Lichtakkumulatoren, die je nach ihrer biologischen Nähe zur Photosynthese die Basis der Ernährung bilden. Heute ist diese Lichtspeicherung messbar. Es wurde nachgewiesen, dass die Photonen des Sonnenlichtes in den lebendigen Zellen in der Art eines Lasers gespeichert werden und dass biologische Enzymsysteme durch diese Lichtwirkung 1030 mal stärker aktiviert werden als durch die kalorisch-chemische Energie. Die Hauptfrage ist, was sind Lebensmittel? Im Ernährungsbereich werden heute aus dieser Sicht lediglich noch 15 bis 20 % als eigentliche Lebensmittel betrachtet. 80 % der Nährmittel sind wegen der industriellen Verarbeitung bereits nicht mehr als Lebens-mittel zu betrachten. Diese Frage muss auch von den Lebensmittelwissenschaften vor dem Hintergrund des heute erwähnten ökonomischen Verarbeitungszwanges geklärt werden. Es wird sich zeigen, dass wir auf eine eigene Landwirtschaft gerade wegen der Qualität der Lebensmittel und wegen unserer Gesundheit nicht verzichten können.





H. Bieri: Wir sind am Schluss der Diskussion angelangt. Wir haben verschiedene Meinungen gehört und Sie sollten als Teilnehmer und Teilnehmerinnen bewusst zu Wort kommen. Der Hauptpunkt ist, wir müssen in den Begriffen, wie das Peter Moser herausgearbeitet hat, eine Klärung erreichen. Und dann müssen wir die Frage der Preisbildung, also die ökonomische Frage klären, warum kommt die Landwirtschaft überall auf der Welt in diese Lage der Unterbezahlung. Und hier müssen wir taugliche wirtschaftliche und politische Lösungen erarbeiten, damit die Landwirtschaft zu einem gerechten Einkommen gelangen kann und den natürlichen Voraussetzungen auch unseres Körpers und unserer Gesundheit gerecht wird. Wir haben zur Zeit eine wirtschaftliche Situation, die so beherrscht ist, dass die Unterbezahlung der Rohstoffe generell der Fall ist. Es ist nicht ein moralisches Problem sondern ein systemisches Problem. Um das erfassen zu können, müssen wir die entsprechende Begrifflichkeit entwickeln. Hier komme ich nochmals auf das neue Buch von Hans Christoph Binswanger, Die Wachstumsspirale, zu sprechen. Die Agrarreform ist zur Zeit stark geprägt ist durch Annahmen, die uns nicht erlauben zu wirklich notwendigen Reform zu kommen, die uns die eigene Landwirtschaft erhält und unseren Industriestaat in die Lage versetzt, eine eigene Landwirtschaft als Grundlage unserer Lebensqualität und unserer Gesundheit zu behalten.

Ich danke Ihnen für Ihren Besuch unserer Tagung und nehme den Auftrag mit, dass wir weiter informieren und Vorschläge erarbeiten. Ich möchte den beiden Referenten Hans Christoph Binswanger und Peter Moser danken für ihre klärenden und weiterführenden Beiträge und möchte hiermit die Tagung schliessen.


HB, 30.08.06

 

Kurzzusammenfassung, wie weiter?

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