SVIL Verein

SVIL Dienstleistungen

 

Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft

Stellungnahme zum Entwurf eines neuen Raumentwicklungsgesetzes (E-REG)

Vernehmlassungsfrist bis 17. April 2009


An das
Bundesamt für Raumentwicklung ARE
(Mühlestrasse 2, 3063 Ittigen)
3003 Bern

Zürich-Oerlikon, 15. April 2009



Sehr geehrter Herr Bundesrat
Sehr geehrte Damen und Herren

Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zur Revision des Raumplanungsgesetzes haben Sie die SVIL mit Brief vom 19. Februar 2009 zur Stellungnahme eingeladen, wofür wir Ihnen bestens danken.
Die Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft, SVIL, ist aus dem Gedanken der Innenkolonisation entstanden. Sie ist wirtschaftlicher Stabilitätspolitik verpflichtet und setzt sich als Verein gemäss ihrem Zweckartikel für den Schutz des Schweizer Bodens ein.

Grundsätzliche Feststellungen und Hauptforderungen

1. Das heutige Raumplanungsgesetz (RPG) ist im Grundsatz und im Konzept immer noch zeitgemäss. An den grundlegenden Fragen, welche in der Raumplanung zu lösen sind, hat sich seit Einführung des Gesetzes nichts geändert. Das NFP 22 &Mac226;Boden', welches bereits in den 80er Jahren alle diese Fragen behandelt hat, veranschaulicht dies mehr als deutlich.
Der vorliegende Entwurf zu einem neuen Raumentwicklungsgesetz (E-REG) fällt hinter grundlegende Errungenschaften des heutigen Raumplanungsgesetzes zurück.
Es braucht kein neues Gesetz. Es braucht partielle Anpassungen und vor allem eine ständige Verbesserung des Vollzugs.

2. Die SVIL hält an der grundsätzlichen Trennung in der Raumplanung zwischen den bodenverändernden und der bodenerhaltenden Nutzungen fest. Die im E-REG vorgeschlagene Kulturlandzone lehnen wir ab, da durch diese neue Zone die grundlegende Trennung zwischen bodenverändernden und der bodenerhaltenden Nutzungen aufgeweicht wird. Das in der Vorlage vertretene Argument, dass - ähnlich wie die Bauzone, welche in unterschiedliche Nutzungszonen unterteilt wird, - auch ausserhalb der Bauzone eine Differenzierung der Raumnutzung in unterschiedliche Nutzungszonen vorzusehen sei, überzeugt in keiner Weise. Mit dieser Argumentation wird die Trennung Bauzone / Nichtbauzone und somit auch der getrennte Bodenmarkt aufgehoben. Der flächendeckende Geltungsbereich der Landwirtschaftszone wird stark eingeschränkt. Die grundlegende und nachhaltige Bedeutung der Landwirtschaft, das Kulturland zu erhalten, würde entscheidend geschwächt. Damit käme auch das Bäuerliche Bodenrecht unter Druck, was - im Gegensatz zu unserer Auffassung - erklärtes Ziel der Vertreter der Metropole Schweiz ist.

3. Die im E-REG zu Grunde gelegte Fokussierung der Raumentwicklung auf die Agglomerationen, lehnen wir entschieden ab. Dadurch gerät die bestehende traditionelle und nachhaltige Siedlungsstruktur der Schweiz aus dem Blickfeld. Die Sicherung der Grundstruktur der &Mac226;dezentralisierten Konzentration' und des historisch gewachsenen Dorf- und Städtenetzes ist nach wie vor das Ziel der Raumplanung. Dieses Planungsziel steht in einer zunehmenden Spannung zum Agglomerationsprozess. Es sind ja ausdrücklich die negativen Erscheinungen und Belastungen der Agglomerationsentwicklung, welche in den 60er und 70er Jahren die Notwendigkeit der Raumplanung unterstrichen und zum entsprechenden Verfassungsartikel geführt haben. Die Raumplanung hat die Aufgabe aus der Knappheit des Raumes heraus, diese Prozesse im Hinblick auf ein nachhaltiges Ganzes zu planen. Dazu wurde das RPG konzipiert. Im Bericht zum E-REG wird die Auffassung vertreten, das RPG sei noch auf „die ländliche Schweiz“ ausgerichtet gewesen, während dem inzwischen die Schweiz neu durch die Agglomerationen bestimmt sei. Dies begründe eine veränderte Herangehensweise und folglich ein neues Gesetz. Wir können diese Argumentation nicht teilen. Sie verwischt den bisher wichtigsten raumplanerischen Grundsatzes, nämlich der Trennung der Raumes in Bauzonen mit den bodenverändernden Nutzungen und in die Landwirtschaftszone als den Boden nichtverändernde Nutzung. Die seit den 60er Jahren feststellbare Zersiedelung ist ausdrücklich ein Charakteristikum der Agglomerationsentwicklung, die sich auch in der periurbanen Zone und vereinzelt auch in Tourismusgebieten äussert. Diese Entwicklung ist jedoch nicht deckungsgleich mit dem genuin wirtschaftlichen Streben der gewerblich-industriellen „ländlichen Schweiz“.

4. Die vorgeschlagene Aufnahme der Fruchtfolgeflächen in das E-REG also auf Gesetzesebene reicht nicht. Neben den Fruchtfolgeflächen wären auch die futterbaulichen Vorrangflächen und die Meliorationsflächen in die gleiche Stufe aufzunehmen. Sie stehen bezüglich der Ernährungssicherheit zusammen mit den in den Berg- und Hügelgebieten - auch bezüglich der erforderlichen Bewirtschaftung von weiteren Futterbauflächen - auf der gleichen Dringlichkeitsstufe. Alle drei Bodennutzungsbereiche müssen geschützt werden.
Nur dadurch, dass die Fruchtfolgeflächen ins Gesetz aufgenommen werden, wird der beschleunigte Verlust an bestem Landwirtschaftsland nicht aufgehalten. Die heutige Verankerung der FFF in der RPV würde genügen, wenn im Vollzug endlich ausreichende bodenkundliche Standards durchgesetzt würden. Die Standards der Fruchtfolgeflächen und der futterbaulichen Vorrangflächen müssen vom Bund für alle Kantone nach einheitlichen bodenkundlichen Kriterien festgelegt werden. Es kann nicht weiter angehen, dass einzelne Kantone sich bezüglich den Grundlagen zur Bundessachplanung Ernährung weigern, einheitliche und fachlich begründete bodenkundliche Kriterien festzulegen und anzuwenden. Wenige Kantone haben vorzügliche Arbeit geleistet. Dieser Anspruch sollte jedoch für alle Kantone gelten. Das Argument, die Bodenkartierung sei zu aufwändig und zu teuer, kann so nicht gelten. In Anbetracht knapper Mittel genügen eingehende bodenkundliche Erhebungen in der Ackerbauzone, der erweiterten Übergangszone und der Übergangszone.

5 Der im E-REG vorgesehene Handel bzw. der Ausgleich von Fruchtfolgeflächen zwischen den Kantonen lehnen wir ab. Damit wird der Trend zur Grossagglomeration erleichtert und der weiteren Verdrängung der besten Landwirtschaftsböden im Mittelland Tür und Tor geöffnet. Die heute bekannten Zahlen zeigen, dass diesbezüglich kein nennenswerter Spielraum besteht. Auch würde diese Möglichkeit falsche Signale bezüglich der Dringlichkeit des Schutzes des guten Landwirtschaftslandes setzen.

6. Die SVIL sieht das Hauptproblem der Raumplanung im mangelhaften Vollzug der rechtlichen Vorgaben. Wie können wir den wirtschaftlichen Wachstumsdruck und die Begrenztheit der Ressource Boden vereinbaren? Wie der Boden haushälterisch genutzt werden kann, ist eine Frage des praktischen Vollzuges und in der dazu notwendigen politischen Durchsetzungskraft. Es braucht kein neues Gesetz. Vielmehr müssen Verbesserungen auf der Basis des bestehenden Gesetzes angestrebt werden.

Folgende Forderungen stehen nach Ansicht der SVIL im Vordergrund:

Innerhalb Bauzonen:

6.1 Die Fruchtfolgeflächen und in den Graswirtschaftsgebieten die vorrangigen Futterbauflächen sind auch in den unüberbauten Bauzonen und Richtplangebieten zu erheben. Nur so kann man sich über die Nachhaltigkeit der Siedlungsentwicklung ein Bild machen und die Dringlichkeit der sparsamen Verwendung des Kulturlandes auch aufzeigen (siehe unten).

6.2. Der Flächenverbrauch muss bezüglich der oben festgestellten Bodenqualität sowohl in Bezug auf die Zukunftsprognosen wie auch im Hinblick auf den bereits erfolgten Verbrauch aufgeschlüsselt und zuhanden der politischen Willensbildung ständig nachgeführt sein. Es kann nicht mehr angehen, die öffentlliche Diskussion und Willensbildung über den dramatischen Rückgang des guten Landwirtschaftslandes mit Vorbehalten betreffend Aktualität der Zahlen dauernd zu schwächen.

6.3. Jede Ortsplanung hat, insbesondere im Bereich der Ackerbauzone, der erweiterten Übergangszone und der Übergangszone eine Analyse und eine Entwicklungsplanung der Landwirtschaft bezüglich Flächen, Betriebsstandorte, Produktion zu erarbeiten und periodisch zu aktualisieren.

6.4. Die Gemeinden und Kantone haben in parzellenscharfen Konfliktkarten die Richtplanentwicklung und den Bodenverlust an gutem Landwirtschaftsland in einen für den politischen Prozess verständlichen Zusammenhang zu bringen. Das heisst, die Koordinationsaufgaben der Richtplanung muss gestärkt werden.

6.5. Massnahmen zur Verbesserung der Baulandmobilität: Die im E-REG vorgeschlagene Baufrist mit anschliessender Enteignung entspricht obrigkeitlichem und wenig kreativem Denken. Massnahmen, um die Baulandmobilität zu erhöhen, müssen zwingend mit bodensparenden Sondernutzungsplanungen erreicht werden. Diese entwickeln Lösungen für rationelle Erschliessungen und bodensparende Neubauweise. Sie zeigen, wie die Baulandhortung wegen Altlasten, ungünstiger Eigentumsstrukturen, wenig bodenmarktgerechten Nutzungskonzepten etc. behoben oder stark gemildert werden kann. Sie zeigen, wie mittels Landumlegungen Bauzonen reduziert und beste Ladwirtschaftsböden erhalten werden können. Hier müssen kreative Initiativen finanziell besser unterstützt werden und für den Vollzug mehr Mittel bereitgestellt werden. Entsprechende Bearbeitungs- oder Sanierungsperimeter sind in der Nutzungsplanung zu verankern. (Siehe das Pilotbeispiel der Gemeinde Biel-Benken, welches die SVIL bearbeitet hat.)
In den nicht überbauten Bauzonen soll beim Handel ein Mehrwert abgeschöpft und zugunsten der Sanierung der belasteten und schlecht genutzten Baugebiete eingesetzt werden können.


Ausserhalb Bauzonen:

6.6. Trennung Bauzone / Nichtbauzone: Der bisher geltende Trennungsgrundsatz Bauzo-
ne / Landwirtschaftszone darf nicht aufgeweicht werden. Dieser Trennungsgrundsatz ist auch die Voraussetzung für eine flächendeckende Wirkung des BGBB.

6.7. Bundesrechtliche Regelung ausserhalb Bauzonen: Die Regelung des Bauens ausserhalb Bauzone muss weiterhin dem Bundesrecht unterstellt bleiben. Die Kantone können nicht eigene Grundsätze aufstellen. Dadurch würde zwangsläufig der oben erwähnte Trennungsgrundsatz aufgehoben und eine zwischen den Kantonen völlig unterschiedliche Bewilligungspraxis mit all ihren negativen Konsequenzen entstehen. Diese Zusammenhänge werden im E-REG völlig übersehen. Dennoch kann die heutige Rechtspraxis und die raumplanerische Regelung des Bauens ausserhalb der Bauzonen in einzelnen Kantonen verbessert werden.

6.8. Wohnen bleibt Wohnen. Dieser Grundsatz muss unangefochten bestehen bleiben und flächendeckend angewendet werden.

6.9. Abbruchpflicht: Versuche von Nachfragern ausserhalb der Landwirtschaft, die Trennung Bauzone / Nichtbauzone durch vorsätzlich geplante Landwirtschaftsbauten, die in absehbarer Zeit zu nichtlandwirtschaftlichen Zwecken umgenutzt werden sollen, sind rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Dies soll bei Neubauten durch ein Umnutzungsverbot erreicht werden: Für die Landwirtschaft erstellte Gebäude müssen im Falle einer Betriebsaufgabe weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden. Von einer generellen Abbruchpflicht ist im Hinblick auf die Vollzugsschwierigkeiten abzusehen.

6.10. Eine Abgabenpflicht ausserhalb Bauzonen unterminiert allein schon durch die sich stellenden Fragen der praktischen Umsetzung den Trennungsgrundsatz. Da ja die Erschliessungskosten ohnehin bezahlt werden müssen, könnte die Abgabe auch als eine Gebühr für ein erworbenes Baurecht missverstanden werden. Dies ist mit dem Trennungsgrundsatz unvereinbar.




Zusammenfassende Feststellung

Der vorliegende Entwurf zu einem neuen Raumentwicklungsgesetz (E-REG) weicht den bisherigen Trennungsgrundsatz des heute geltenden Raumplanungsgesetzes auf. Damit wird die bisherige Haupterrungenschaft der Raumplanung geschwächt. Damit wird aber auch Druck von einem verschärften Vollzug weggenommen, der sich gerade bezüglich des Schutzes des guten Landwirtschaftslandes als besonders dringlich herausgestellt hat. Entscheidend geschwächt würde dadurch auch das Bäuerliche Bodenrecht, welches zusammen mit der drohenden Relativierung der Landwirtschaftszone durch die „Kulturlandzone“ seine bislang flächendeckende Wirkung ausserhalb der Bauzonen einbüssen würde.

Anstatt den laufenden Vollzug und den politischen Willen weiter zu stärken und zu intensivieren, versucht der Entwurf mit obrigkeitlichen und zentralistischen Massnahmen den vorhandenen Vollzugsdefiziten beizukommen. Dies führt jedoch nicht zu einer Verbesserung der schweizerischen Raumplanung, sondern nur zu einer bedingungslosen Anpassung an den immer stärker werdenden Wachstumsdruck zur Grossagglomeration und Metropole Schweiz. Auch die im Bericht erwähnten Analysen zur Zwischenstadt gehen von einem Nachhaltigkeitsbegriff aus, der sehr klärungsbedürftig ist.

In Anbetracht der geforderten Nachhaltigkeit der schweizerischen Raumplanung sehen wir im vorliegenden Entwurf keine Verbesserung. Wir lehnen ihn ab und beantragen eine Teilrevision des Raumplanungsgesetzes, welche unseren obgenannten Forderungen Rechnung trägt.

Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Wir sind gerne bereit, Ihnen unsere Einschätzungen auch in einem Gespräch noch weiter darzulegen.

Zürich-Oerlikon, 15. April 2009 HB/PB

Mit freundlichen Grüssen
Schweizerische Vereinigung
Industrie und Landwirtschaft
SVIL

Hans Bieri, Geschäftsführer

Aktuell