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Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft

EXPOAGRICOLE 2002 in Murten

Unser Anliegen: Aliianz von Produzenten und Konsumenten
2. Veranstaltung vom 6. August 2002
3. Veranstaltung vom 11. Oktober 2002
Nachwort

1. Veranstaltung vom 27. Mai 2002

Programm Aktion Zukunftswerkstatt: Gesunde Lebensmittel oder Industrialisierung der Ernährung?
1. Symposium am 27. Mai 2002
Veranstaltungsort:< Murten, Expo.02, EXPOAGRICOLE: Forum / Salle polyvalente,
Arbeitsbericht Workshops: Die Konsumenten wollen die Wahrheit der Lebensmittelproduktion kennen:
Labels, Zertifizierungen, Regiomarken, Herkunfstnachweise, Zollkontrollen... und trotzdem werden Antibiotika ohne Rezepte durch Betriebe verfüttert, die das Qualitätslabel Markenfleisch führen. Und genveränderte Produkte tauchen unverhofft auf, wo sie nicht erwartet werden. Alle organisatorischen Bemühungen der Verbände und Branchen scheinen nichts Entscheidendes zu bewirken. Ist die Lebensmittelquali-tät mit Label- und Deklarationsaktivismus überhaupt kontrollierbar? Wie werden Preise und Leistungen dem Konsumenten vermittelt?

Kurzreferate
10 Uhr bis 11.40 Uhr:

1. Die landwirtschatliche Produktion zwischen Natur und industrieller Verarbeitung
Hans Bieri, SVIL, Geschäftsführer
2. Die industrielle Verarbeitung im Spannungsfeld zwischen Frische und Haltbarkeit
Richard Robbiani, Direktor Entwicklung und Qualitätsmanagement Unilever Bestfoods (Knorr), Thayngen
3.Informierte Konsumenten bevorzugen naturfrische Produkte aus der Region
Esther Brogle, Präsidentin Konsumentenforum Schaffhausen
4. Eine starke Allianz von Bauern und Konsumenten fördert die Wertschätzung guter Naturprodukte
Ernst Landolt, Landwirt und Bauernsekretär, Rüdlingen
5. Zusammenarbeit von Produzenten in ausgewählten Marktsegmenten – erläutert an konkreten Beispielen
Jakob Brütsch, Landwirt, Barzheim
6. Der wirtschaftliche Druck: Warum verdienen die Bauern immer weniger und warum nimmt die industrielle Wertschöpfung immer mehr zu?
Alexander Caspar, Bankfachmann, ehem. Industrie- und Gewerbebank
7. Wie könnte eine moderne Geschäftsstruktur zwischen Bauern, Verarbeitern/Verteilern und Konsumenten unter der Bedingung der Bedarfsdeckung aussehen?
Eberhard Kutschke, Industrieplaner, Baar
12:00 Diskussion mit den Referenten moderiert von Hans Bieri
Teil 1: Konsumenten setzen Standards
Teil 2: Ist die Verarbeitung- und Verteilung von Lebensmitteln als Wachstumsmarkt möglich?
Teil 3: Neue Geschäftsstrukturen Bauern — Verteiler — Konsumenten
13:00 Mittagessen
14:00 Führung durch die R agricole mit den AusstellungsmacherInnen
Die Führung beginnt mit inhaltlichen und szenografischen Kurzerläuterungen, gefolgt von einem individuellen Spaziergang durch SwissMiniNature. An ausgewählten Standorten geben die AusstellungsmacherInnen vertiefende Erläuterungen und stehen für Fragen zur Verfügung.
15:30 Synthese
Peter Moser
16:00 Veranstaltungsende


Die landwirtschaftliche Produktion zwischen Natur und industrieller Verarbeitung

Hans Bieri, Geschäftsführer SVIL, Zürich

"Man kann es nicht genug wiederholen: Am Anfang jeder wirtschaftlichen Entwicklung steht weniger die Verfügbarkeit über KapitaI und Technologie als vielmehr der Mensch mit seinen Wertvorstellungen, Motivationen, Kenntnissen und Fähigkeiten. Der Mensch wird damit zwangsläufig zum Mittel und Ziel jedes auf gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt ausgerichteten Entwicklungskonzepts. Grundvoraussetzung dafür ist die Schaffung einer wirtschaftlichen und sozialen Ordnung, die selbstverantwortliche, leistungsbewusste und frei entscheidende Menschen heranwachsen lässt." (Aus einem Positionspapier der economiesuisse, Frühjahr 2002, ausgearbeitet in einer ad-hoc Arbeitsgruppe führender Wirtschaftsleute der Schweiz)
Im Mittelpunkt steht der Mensch. Der Mensch, als das Mass aller Dinge. Er lernt, diese Dinge immer besser im Zusammenhang zu sehen und sich folglich immer freier zu bewegen. Das gilt vor allem im Wirtschaftsprozess. Solche Zusammenhänge sollen heute in Bezug auf die Ernährung und den Industrieprozess veranschaulicht und diskutiert werden. Wir gehen aus von der heutigen Volkswirtschaft, die Einkommen nur im Zusammenhang mit Wachstum gewährleisten kann. Das führt zu Konflikten.
Grenzen des Stoffkonsums im Ernährungsbereich
Im Arbeitsprozess erzeugen die Menschen laufend Dinge, die für den Konsum bestimmt sind. In keinem anderen Bereich wie in der Ernährung ist der Verbrauch begrenzt durch die Aufnahme der Produkte in unseren Leib, welcher zudem Teil der Natur ist. Wir entnehmen in der Landwirtschaft die Produkte aus der Natur, be- und verarbeiten sie und nehmen sie durch unseren Konsum wieder in die Natur unseres Leibes zurück. Auch wenn man der Auffassung ist, dass die Landwirtschaft schlussendlich ein Teil der Ernährungsindustrie werde, setzt die Aufnahme der Nahrung durch unseren Leib dem Konsumwachstum deutliche Grenzen.
—> Siehe den Wachstumsvergleich zwischen Gesamtkonsum mit der Ernährung von 1995 bis 2000.
Übersieht man diese Realität und setzt dessen ungeachtet im Ernährungsbreich industrieübliche Wachstumszahlen zu Grunde, so könnte man nun auf Grund des begrenzten Wachstums meinen, die Landwirtschaft sei gleichsam "der kranke Mann" der Wirtschaft, der allen hinterherhinke. Daraus folgt weiter die gängige Sicht, die Landwirtschaft müsse in irgendeiner Weise durch die ertragsstärkeren Wirtschaftssektoren mitfinanziert und mitgetragen werden. Und weiter folgt aus dieser Sichtweise, dass der Niedergang der Landwirtschaft — Reform hin oder her — sich unverändert fortsetzt. Daran ändert sich überhaupt nichts, auch wenn man sich in gewissen Bereichen auf Entschädigungen von sogenannten gemeinwirtschaftlichen Leistungen geeinigt hat. Denn auch spricht man letztlich davon, wie diese gemeinnützigen Leistungen ebenfalls wie Marktleistungen einem Wettbewerb auszusetzen sind. Und da dauert es nicht mehr lange, bis festgestellt werden muss, dass die Leistung beispielsweise der dezentralen Besiedlung durch die Landwirtschaft angesichts der sich vollziehenden Metropole Schweiz ein überholtes Postulat sei. Das heisst, die Spaltung der Einkommen der Landwirtschaft in die bisherigen Produktionsleistungen und die gemeinwirtschaftlichen Leistungen schafft keine Erleichterung vor der drängenden Frage, warum die Einkommen der Bauern derart sinken. Die "Lösung" des Einkommensproblems ist durch die Schaffung eines gemeinwirtschaftlichen Beines nicht gelöst, weil es gerade zu den aktuellen Reformzielen gehört, gemeinwirtschaftliche Nutzungszusammenhänge zu Gunsten der privaten Kapitalverwertung besser zu erschliessen. Deshalb haben wir allen Anlass, die Frage zu klären, warum die Landwirtschaft nicht nur in Europa, in Gebieten mit angeblich rückständigen Strukturen, sonder auch im fortgeschrittenen Amerika ungenügende Einkommen erzielt?
Soll diese Frage beantwortet werden, genügt es nicht, Preise allein auf Angebot und Nachfrage zurückzuführen.
Während die Preise eine ganz andere Sprache sprechen, bringt die Landwirtschaft jene Güter hervor, die es erlauben, dass diejenigen die durch die Landwirte miternährt werden, dadurch erst die Möglichkeit erhalten, in anderen Sektoren beschäftigt zu werden. So gesehen, finanziert die Landwirtschaft den Industrieprozess und nicht die Industrie die Landwirtschaft. (Vgl. SVIL-Symposium 1996, Alexander Caspar, Wirtschaften in der Zukunft, Klett, Zug)
Die landwirtschaftliche Rohstofferzeugung ist für die Kapitalbildung immer noch am effizientesten und sichersten, wenn wir das im Naturzusammenhang Gewachsene relativ störungsfrei dem Boden ent-nehmen können, in der Weise, dass diese Prozesse sich auch ständig wiederholen lassen und nicht so forciert werden, dass dabei natürliche Voraussetzungen der Wiederholung zerstört werden. Dieser dauernde Stofffluss aus dem Boden versorgt die Wirtschaft und hält die Strukturen aufrecht bzw hält sie stabil. Aus wachstumswirtschaftlicher Sicht wird allein die Beschränkung des Wachstums, der Ausdehnungsfähigkeit des landwirtschaftlichen Stoffflusses wahrgenommen und somit werden sinkende Einkommen in der Landwirtschaft als logische Folge dieser Wachstumsschwäche interpretiert. Weiter wird nicht gefragt.
Die Industrialisierung der Landwirtschaft und die natürlichen Voraussetzungen
Dabei wird sofort Folgendes deutlich: einerseits besteht ein Natur- und Stoffzusammenhang, der durch unsere leibliche Existenz durch die Natur — so, wie sie uns herausgebildet hat — gegeben ist, und andererseits braucht es Arbeit, landwirtschaftliche, gewerbliche und industrielle Arbeit sowie Tausch und Verteilung, um uns als menschliche Gesellschaft zu versorgen.
Die Präferenzen der Konsumenten liegen — gemäss den Ergebnissen an den Workshops, die wir bereits an drei Orten der Ostschweiz durchgeführt haben, nämlich in Schaffhausen Stadt, im Kanton Graubünden, Chur - Bündner Herrschaft, und Zürich Nord, — klar bei den unverfälschten Nahrungsmitteln. Siehe das Referat der Präsidentin des Konsumentenforums Schaffhausen, Esther Brogle.
Unter "BIO" verstehen wir naturnahe, unverfälschte und nachhaltig produzierte Nahrungsmittel, erzeugt nach Bedingungen, die eine uneingeschränkte Wiederholung dieser Prozesse erlauben und unsere Genetik und die Genesis des jahrmilliardenschweren Schöpfungsprozesses berücksichtigen. Einen solchen Prozess in eine kontrollier- und steuerbare Produktionssphäre hinüberzuführen, ist wegen dieser gewaltigen zu Qualität geronnenen Zeit nicht möglich.
Heisst dieses Ökologieverständnis nun einerseits, dass wir das Industrielle aus dem Ernährungsbereich verbannen wollen? Heisst das, dass wir wieder wie vor 500 oder 1000 Jahren produzieren, jeder mühselig mit seiner Selbstversorgung (Subsistenz) beschäftigt? Oder andererseits: Ist das Bio-Qualitätslabel auf beliebig verarbeitete Produkte anwendbar? Hier werden Unklarheiten der Urteile deutlich, die wir im nachfolgenden Referat aus Industriesicht klären wollen, um den Blick für die Unterschiede zwischen Industrie und Landwirtschaft und die notwendige Vermittlung dieser Unterschiede durch Produzenten und Konsumenten zu schärfen. Siehe Referat von Richard Robbiani, Direktor Forschung und Entwicklung, Unilever Bestfoods, Schweiz, Thayngen. In der Landwirtschaft, sobald sie sich über den Stand der Subsistenzwirtschaft erhebt, hält die Errungenschaft der Industrie Einzug. Sie befreit unser Leben von materieller Mühsal und schafft uns Freiräume des Lebens. Diese sind ohne Industrie nicht denkbar.
Die ökologische Frage entzündet sich dort, wo dieses Wechselspiel zwischen dem Hervorbringen der Güter durch die Landwirtschaft und die Organisation ihrer Verarbeitung und Verteilung zu Konflikten führt.
• der Konsument ist auch Teil der Natur und endloses Konsumwachstum kann es nicht geben;
• der Konsument will keine Produktion um den Preis nicht bekannter Risiken; obwohl er sich klar geäussert hat, gelangen sie unerkannt in die Regale;
• der Konsument möchte seine Bedürfnisse frei äussern. Richtet sich die Produktion wirklich nach seinen Bedürfnissen?
Beruhigung des Strukturwandels, Frage nach den Preisrelationen
Mit dem beschriebenen Fortschritt ist Arbeitsteilung und die Trennung eines grossen Teiles der Bevölkerung vom Boden verbunden. Trotzdem bleibt die Lebensmittelproduktion an den Boden gebunden. Um die entstandene Differenz zwischen den Produkten des Bodens und den abgewanderten Menschen zu überbrücken und deren Versorgung zu sichern, ergeben sich Verarbeitung und Verteilung. Je mehr Produzenten aus der Landwirtschaft ausscheiden, je mehr Menschen der Bauer miternährt, umso sicherer sollte doch die ökonomische Existenz der in der Landwirtschaft Verbleibenden werden. Im Bereich weniger Prozente der Beschäftigten sollte sich mit der Zeit eine Beruhigung des Strukturwandels einstellen. Obwohl das materiell und von der Biologie her gegeben ist, ist es uns mehr verwehrt denn je, endlich die Kultivierung der Produktion in Angriff zu nehmen und die Zivilsationsschäden einer Umwelt verschleissenden Industriephase zu rekultivieren. Es scheint, dass die verschleissenden Wachstumsrunden erst richtig losgehen müssen. Das bringt uns zum diagnostischen Ansatz, dass vielleicht nicht die Landwirtschaft krank ist, sondern dass an der Art und Weise, wie die Preise zu Stande kommen, etwas nicht stimmen könnte. Siehe Referat von Alexander Caspar, Bankfachmann, ehem. Privatbank und Verwaltungsgesellschaft, Zürich, Autor der Schrift, Wirtschaften in der Zukunft, ISBN 3-264-83149-X
Fehlende Regelkreise zwischen Produktion und Konsum
Wie sieht dieser Ausgleich der Lebensmittel von den Bauern zu dem Teil der Bevölkerung, welcher die Landwirtschaft und den Boden verlassen hat, aus? Das ist unsere Hauptfrage. Dem Konsumenten steht direkt die Verarbeitung und Verteilung gegenüber. Die Produzenten der Lebensmittel, die Bauern, rücken in den Hintergrund. Sie werden zu reinen Rohstoffbeschaffern unter weiter zunehmendem Einkommensdruck. Siehe Schema zum Industrieparadigma unter Eigentumsbedingungen.
Die Verarbeitung/Verteilung steht zwischen Produzent und Konsument.
In einer arbeitsteiligen Gesellschaft müssen die Produkte den Eigentümer wechseln. In einer Subsistenzgesellschaft tun sie das nur marginal. Wenn die Produkte die Hand ändern, stellt sich die Frage des Preises: zu welchem Preis werden sie gehandelt und was sind die Waren wert?
Die Sicht der Einzelunternehmung im arbeitsteiligen Prozess ist Folgende:
Das in der Produktion verausgabte Kapital muss wieder beschafft und die Schuld verzinst werden. Unter diesem Erwerbsdruck müssen die Kosten gesenkt und die Arbeitsprozesse beschleunigt werden. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft heisst das, dass der Bauer seine Produkte auf den Markt bringt. Damit ist er vollständig dem Kapitalerwerbsdruck ausgesetzt. Hier wirkt sich nun aus, dass die landwirtschaftlichen Produkte, auch wenn sie die ganze Nation ernähren, hinter der wertmässigen Blähung — der mit nichterneuerbaren Rohstoffen betrieben Wachstumswirtschaft der übrigen Sektoren — zurückbleiben und deshalb systematisch unterbezahlt werden. Aufgrund der sich ausweitenden Konkurrenzsituation der Handelsliberalisierung durch Standorte mit zur Zeit niedrigeren Kosten kommt die Landwirtschaft in einen zusätzlichen erwerbswirtschaftlichen Zwang hinein. Diese Drücke hat die Landwirtschaft mit Verwendung von Hilfsstoffen, durch Intensivierung und Überspielen der Grenzen ihrer Produktionsmöglichkeiten zu parieren versucht.
Nun müssen aber die Produkte der Landwirtschaft letztlich diejenigen erreichen, die der Landwirt von seiner Scholle freistellt und dauernd miternährt. Vom arbeitsteilig erwirtschafteten Fortschritt müssten sie beide, Produzent und Konsument, gleichermassen partizipieren. Während die Landwirtschaft zwar Industriemittel bezieht und sich die Arbeit erleichtert, arbeitet sie auf dem Boden, erzeugt dingliche Güter und kann beachtlich, aber nicht endlos rationalisieren. Man kann die Transportgeschwindigkeit nicht jedes Jahr um 3 % erhöhen, man kann die Schläge wegen der Erosion nicht beliebig vergrössern etc. Deshalb muss es in einer arbeitsteiligen Wirtschaft immer einen Ausgleich geben von denjenigen Wirtschaftszweigen, die Arbeit und Materie rigoros einsparen können und müssen, und denjenigen Zweigen, die das bedingt durch die Körperwelt nicht können. Funktioniert dieser Ausgleich nicht, werden Teile der Wirtschaft durch das Phänomen der Preiskostenschere oder durch Überintensität durch gesteigerten Verbrauch nicht erneuerbarer Rohstoffe zerstört. Dies trifft auch bei Volkswirtschaften mit nur noch 1 % Bauern zu. Seit 1995 haben die USA versucht, ihre Farmen in eine ernährugswirtschaftliche Unternehmungsstruktur unten anzugliedern. Mit der neuen Farm-Bill musste hier nun korrigierend eingegriffen werden.
Wenn die Produkte die Hand ändern, wie werden ihre Preise bestimmt? Siehe Schema zur Asymetrie im Preis-Leistungs-Verhältnis zwischen Produzenten, Verarbeitern und Konsumenten. Der Verarbeiter/Verteiler nutzt seine organisatorische Konzentration, im Ankauf die tiefstmöglichen Preise beim Anbieter durchzusetzen. An der Absatzfront nutzt er die durch die Arbeitsteilung gewonnene Marktmacht, um die Kaufkraft der Konsumenten maximal zu nutzen. Siehe Schema zum Verhältnis von Preis/leistung und der unterschiedlichen Durchsetzung in der Wertschöpfungskette.
Da zwischen Produktion und Konsum der Zusammenhang durch die Arbeitsteilung getrennt ist, sieht der Konsument nicht, dass er vom Verarbeiter / Verteiler vom ursprünglichen Produzenten weggeführt wird, bzw. dass dieser für seine Leistungen zuwenig Einkommen erhält und folglich immer mehr entweder gegen Kreisläufe der Natur und der Nachhaltigkeit verstossen muss oder über Brachlegung, Steuergelder, Verlagerung in die Dienstleistung das Feld räumt und letztlich die Landwirtschaft des eigenen Wirtschaftsraumes durch den Import ersetzt wird.
Verarbeiter/Verteiler werden beim Konsumenten nicht kostendeckende Preise für entsprechende Leistungen der Produzenten kommunizieren, da sie sonst ihre eigene Marge unter Druck setzen und ihr eigenes wirtschaftliches Überleben gefährden. Siehe Schema zu den unterschiedlichen Geschäftszielen der Akteure der Wertschöpfungskette. Denn die Verarbeiter /Verteiler leiden ebenfalls unter einer Preis-Kostenschere. Sie sind umgeben von Konkurrenten, die darauf aus sind, die Kaufkraft der Konsumenten unseres Landes auf sich zu ziehen. Aus diesen Gründen scheint uns der Moment gekommen, eine Neuordnung der Geschäftsbeziehungen im Ernährungsbereich zwischen den Akteuren, also Produzenten, Konsumenten und Verarbeiter/Verteiler zu führen. Siehe Referat von Eberhard Kutschke, Wie könnte eine moderne Geschäftsstruktur zwischen Bauern, Verarbeitern/Verteilern, und Konsumenten unter den Bedingungen der Bedarsdeckung aussehen?
Gesamtschau notwendig
Unter diesen Randbedingungen verschiebt sich die eigene Versorgung in andere Wirtschaftsräume. Auch das wollen die Konsumenten aus Sicherheits- und Nachhaltigkeitsüberlegungen nicht. Es ist jedoch unter den geschilderten Gegebenheiten für den Konsumenten äusserst schwierig, diesen Prozess zu durchschauen, denn wer zeigt ihm in der geschilderten erwerbswirtschaftlichen Lage der einzelnen Unternehmen den Zusammenhang zwischen seinem Konsumverhalten und den Auswirkungen auf die Herkunft der Produkte und die Bedingungen, unter denen sie hergestellt wurden? Siehe Referat von Ernst Landolt, Eine starke Allianz von Bauern und Konsumenten fördert die Wertschätzung guter Naturprodukte. Dieses Geschäftsinteresse, die Bedingungen der landwirtschaftlichen Produktion, die Preise und Leistungen den Konsumenten verständlich zu machen, hat nur der bäuerliche Produzent. Wenn die bäuerlichen Produzenten das erkennen und sich geschäftsmässig organisieren, haben sie auch Erfolge. Siehe Referat von Jakob Brütsch, Zusammenarbeit von Produzenten in ausgewählten Marktsegmenten — , erläutert an konkreten Beispielen. Das können die Bauern aber auf die Dauer nicht allein, sondern sie brauchen die Konsumenten als präsente Partner, um ein partnerschaftliches Verhältnis auch mit der Verarbeitung abzusichern. Die heute vorherrschende Auftrennung des Regelkreises Produktion - Konsum zwingt den einzelnen Akteur dazu, sein Einkommen durch zusätzliche Leistungen und durch Druck auf die Beschaffungskosten abzusichern. Die-ser Vorgang fällt an sich der Verarbeitung/Verteilung leichter als der Landwirtschaft. Dieses Potential, das Einkommensproblem durch Beschleunigung und Ausweitung der Produktions- und Konsumprozesse zu lösen, ist in der In-dustrie ( unter der Möglichkeit im Verkehr und in der Ver-arbeitung den beinahe unlimitierten Verbrauch von nichterneuerbarer Energie/Materie zu nutzen) bedeutend grösser als bei der eigentlich mit erneuerbaren Natur-prozessen arbeitenden Landwirtschaft. Dadurch gerät die Land-wirtschaft doppelt in Bedrängnis, nämlich durch das überproportionale Wachstum aufgrund uneingeschränkter Verwendung nichterneuerbarer Rohstoffe insbesondere der Dienstleistungsgesellschaft sowie durch fehlende Geschäftsstrukturen, die es ihr zur Zeit nicht erlauben, den Konsumenten Preise und Leistungen direkt zu kommunizieren. In der Folge erweitern sich Transport und Handel, knacken die schon angeschlagenen Nutzungskreisläufe Produktion-Konsum vollends und setzen unsere Landwirtschaft inklusive der Verarbeitung/Verteilung einer Preiskonkurrenz aus, welche die Landwirtschaft im Preisumfeld eines entwickelten Industrielandes zerstört, wie fit sie sich auch macht.
Damit ist der Moment einer Reform gekommen, wo Produzenten, Verarbeiter/Verteiler und Konsumenten in einen Dialog treten müssen. Anhand der folgenden Beiträge wollen wir versuchen, eine Gesamtschau zu erarbeiten.


Informierte KonsumentInnen bevorzugen naturfrische Produkte aus der Region

Esther Brogle, Präsidentin Konsumentenforum Schaffhausen

Am 25. März führten wir in Schaffhausen den ersten Workshop für Konsumentinnen und Konsumenten durch.
Zwei Dutzend interessierte Konsumentinnen, vorwiegend Frauen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren nahmen daran teil. Jüngere Leute haben sich nicht gemeldet, vielleicht, weil sie die "Macht mit dem Einkaufskorb" noch nicht erkannt haben.
Mit gezielter Information könnte bestimmt auch die Gruppe der 20 bis 40 Jährigen für bewusstes Ein-kaufen gewonnen werden. Meistens erwacht das Bewusstsein für gesunde Ernährung erst, wenn ein eigener Hausstand gegründet wird, wenn sich Nachwuchs anmeldet oder wenn gesundheitliche Pro-bleme auftauchen.
Unter 20-jährige sind wohl die unbekümmertste Konsumentengruppe, die über relativ viel Geld und we-nig now how verfügt und deshalb eine willkommene Experimentiergruppe für den Anbieter darstellt. Diese Gruppe will selber Erfahrungen sammeln, sie will geniessen und setzt eigene Konsumtrends.
Soviel zur Erklärung der Altersstruktur der Workshop-Teilnehmer, die ausnahmslos sehr engagiert mitge-arbeitet und viel persönliche Erfahrung eingebracht haben. Immerhin stellen die über 40 jährigen bereits über die Hälfte unserer Bevölkerung. Wahrscheinlich würden die Jüngeren andere Kriterien wie Be-quemlichkeit und Preis höher bewerten als wir es taten. Wir können die gegenwärtige Entwicklung nicht aufhalten, aber wir können Gegentrends setzen und deren Vorteile auch begründen.

Wir mussten zuerst Produkte mit hoher Qualität und hohem Preis definieren. Dazu habe ich eine Folie mit den Ergebnissen erstellt:

Bei Produkten mit hoher Qualität und hohem Preis haben wir 12 Kriterien zusammengetragen, diese individuell gewichtet und folgende Prioritätenliste erstellt. Alle Anwesenden erachteten die folgenden Kriterien als sehr wichtig:

1. Naturbelassenenheit, Reinheit
2. Vertrauen in die Auszeichnung (Label)
3. Tiergerechte Produktion
4. Saisongerecht, Reife
5. Lohn, Entgelt-Gerechtigkeit in der Urproduktion
6. Kurze Transportwege
7. Sorgfältige Bearbeitung
8. Ursprünglicher Geschmack
9. Lagerung/Verpackung/Haltbarkeit
10. Frische
11. Zeitpunkt der Ernte
12. Aussehen

Es ist unschwer festzustellen, dass die 6 stark gewichteten Kriterien am besten durch die einheimische Produktion erfüllt werden.

Die Schweizerische Landwirtschaft hat in der Herstellung hochwertiger Lebensmittel eine Vorrangstellung auch durch den grossen Vertrauensgrad der Schweizer Auszeichnungen (Label).
Zwar lassen wir uns immer wieder dazu verführen, Früchte und Gemüse bereits zu konsumieren, wenn sie bei uns noch lange nicht Saison haben. Aber wir waren uns auch einig, dass diese Produkte durch die langen Transporte, unreife Ernte und Massenproduktion negativ beeinflusst werden und oft in Geschmack, Frische und vor allem Haltbarkeit nicht an unsere einheimischen Produkte herankommen.
Das monatelange Angebot von typischen Saisonerzeugnissen wie Spargeln und Erdbeeren wirkt ausserdem auf die Konsumenten sehr ermüdend.
Leider fühlt sich unsere Landwirtschaft durch das frühe Angebot von ausländischen Produkten gezwun-gen, ihre Produktion künstlich voranzutreiben. Dies geschieht z.B. durch Bewässerung, Tunnelfolien, Folienabdeckung oder hors sol Produktion.
Wenn sie Pech hat, sind die Grossverteiler aber noch an ausländische Verträge gebunden und stellen die frühen Schweizer Produkte zurück. So geschehen bei den diesjährigen Schweizer Frühkartoffeln.
(Erkenntnis aus dem Workshop 3 mit den Bauern).

Die zunehmende Industrialisierung unserer Lebensmittel (convenience-Trend) betrachten wir eben-falls als problematisch. Unserer Meinung nach müsste der ebenfalls bestehende Trend zu naturbelassenen Produkten favorisiert werden. Das Bewusstsein für echte Lebensmittelqualität muss auch im Interesse der Volksgesundheit mit allen Mitteln gefördert werden. In den Familien und Schulen, in der Gesundheits-Prävention mit Kampagnen (Take 5 Kampagne), mit kreativen Rezept-Ideen. Der Genuss eines frisch ge-ernteten, reifen Gemüses, roh oder schonend gekocht ist ein sinnliches Vergnügen – es darf auch als solches angepriesen werden, wie der mitgebrachte Steller zeigt!

Wir haben in unserem Workshop aber auch Produkte mit niedriger Qualität und niedrigem Preis bewertet. Genmanipulierte, unreifgeerntete und nicht ausgezeichnete Produkte fallen in diese Kategorie. Es sind dies meist billige Import-Produkte, ohne Herstellungs- und Behandlungsnachweis. Einen hohen Preis dafür bezahlt aber oft die Umwelt und der Konsument, wenn die Produkte nach Gutdünken behandelt wurden und ev. noch mit Reststoffen belastet sind. Auch hier ergeben sich Pluspunkte für die Schweizer Landwirtschaft. Lieber weniger konsumieren, dafür qualitativ einwandfreie Produkte.

Vorsicht geboten ist auch bei Produkten aus Entwicklungsländern. Hier ist oft ein Abwägen nötig. Unterstützen wir mit dem Kauf Entwicklungsprojekte, so sind diese oft als solche ausgezeichnet. z.B. Max Havelaar. Oft kommen aber auch Produkte auf unsere Märkte, die den Produktionsländern mehr schaden als nützen!
Am Schluss haben wir noch die Kriterien für ein plausibles Preis/Leistungsangebot erarbeitet und festgestellt, dass der Konsument darüber informiert sein möchte wie sich die Gewinnmargen definieren. Sehr stark ist das Interesse am Verhältnis der Anteile Produzent/Verarbeiter/Verteiler und die Definiti-on der Wertanteile Produktion/Dienstleistung.
Preistransparenz und Qualitätsnachweis sind ebenfalls wichtig. Andererseits wird die Infodichte bei der Deklaration bereits heute als zu hoch empfunden. Hier müssen neue Informationskanäle erschlossen werden. Preise müssen auf den Verpackungen angeschrieben werden, um die Preisentwicklung mitverfolgen zu können.

Aus dem 3. Workshop mit den bäuerlichen Produzenten haben wir ebenfalls wertvolle Erkenntnisse gewonnen.
Bis vor kurzem hat der Bund bestimmt, was die Bauern zu tun haben und man hat sie dafür bezahlt. Nun sollen sie plötzlich Unternehmer sein, d.h. zuerst müssen sie abklären, ob für ihr Produkt Platz auf dem Markt ist und ob sie dafür einen Abnehmer finden. Also müssen sie mit den Abnehmern sprechen – der Abnehmer ist zwar für viele Bauern primär der Grossverteiler – dieser spricht aber kaum mit seinen Kun-den (er versucht sie lediglich zu beeinflussen, sein Angebot zu akzeptieren und sie an sich zu binden!)
Die Abnehmer sind Konsumentinnen und Konsumenten. Zur Zeit hat der Abnehmer keinen primären Einfluss auf das Angebot. Er reagiert lediglich darauf. Heute bestimmt vor allem der Grossverteiler, was ins Angebot kommt und was nicht.
Um einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen, werden billige Importprodukte oft den einheimischen teureren Produkten vorgezogen. Herr Jakob Brütsch wird dies nachher noch an Beispielen aufzeigen. Aus Gründen der Gewinnmaximierung ist der Verteiler auch an der Förderung von convenience Produkten interessiert. Der convenience Kunde wäre gut beraten, einmal nachzurechnen, wie teuer ihn seine Bequemlichkeit zu stehen kommt!
Kleines aber eindrückliches Beispiel sind geschälte, geraffelte Rüebli in 200g Packungen. Hier erhält der Produzent 60 Rappen fürs Kilo und der Verteiler löst beim Verkauf von 5 200g Packungen stolze 14.--!

Schlussfolgerungen aus allen 3 Workshops
Nur in konstruktiver Zusammenarbeit von Produzent/Verteiler und Konsument können die bestehenden Probleme gelöst werden. Dazu braucht es einen Schulterschluss zwischen Produzent und Konsument.
Um dies zu erreichen beschlossen wir heute morgen auf der Anreise an die Expo die Bildung einer

Projektgruppe: IG Produzent/Konsument
Diese wollen wir in der Region SH propagieren und aufbauen. Wir sind zuversichtlich, dass dies gelingen wird. Auf dem Gemüsemarkt treffen sich schon heute an Samstagen jeweils Hunderte von Konsumenten jeder Altersklasse, um von dem exklusiven Saisonangebot unserer Gemüse und Früchteproduzenten zu profitieren. Hier ist auch noch der direkte Kontakt Konsument/Produzent möglich und das wird von beiden Seiten sehr geschätzt. Der Kunde ist König und das Einkaufen wird zum Erlebnis. Sicher lassen sich hier Interessenten für unser Projekt gewinnen. Wir wünschten uns nicht zuletzt, dass regionale Produkte in Zukunft nicht nur auf dem Markt, sondern auch beim Grossverteiler vermehrt erhältlich sein werden.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch kurz aufzeigen, an welchen regionalen Projekten wir in Schaffhausen sonst noch arbeiten:
Das Konsumentenforum SH, der WWF SH und der Schaffhauser Tierschutz arbeiten seit längerer Zeit intensiv mit Bauernvertretern, Genossenschaftsverband, Metzgern und Gastwirten an der Lancierung einer Qualitäts-Regio-Marke für Fleisch. Das Projekt "guet ässe" hat gute Aussichten auf baldige Umsetzung. Wichtig bei solchen Projekten ist von Anfang an die breite Abstützung, das vernetzte Denken. Ein Scheitern könnte das Ende für die wenigen noch bestehenden Metzgereien und regionalen Schlachthäuser bedeuten. Fehlt erst einmal die Infrastruktur rücken solche Projekte in weite Ferne.
Der Schaffhauser Genossenschaftsverband organisiert dieses Jahr erstmals ein Kartoffelfest mit den Bauern und dem Konsumentenforum SH, um die regionale Vermarktung dieser tollen Knolle zu thematisieren. Auch hier wäre noch die Infrastruktur vorhanden.
Wir hoffen, die Konsumenten für diese Projekte ebenfalls gewinnen zu können.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Anschrift der Verfasserin:
Esther Brogle
Präsidentin Konsumentenforum Schaffhausen
Alte Gasse 12
8203 Schaffhausen


Eine starke Allianz von Bauern und Konsumenten fördert die Wertschätzung der Nahrungsmittel und erhöht damit die Wertschöpfung auf den Bauernhöfen

von Ernst Landolt, Schaffhauser Bauernsekretät, Rüdlingen


Zur Wertschätzung der Landwirtschaft
Wer sich heute mit der Wertschätzung guter einheimischer Nahrungsmittel auseinander setzt, kommt um die Wertschätzung der schweizerischen Landwirtschaft als Gesamtes, als Lieferantin gesunder Nahrungsmittel nicht herum. Sicher ist, dass die Schweizer Bäuerinnen und Bauern heute wesentlich weniger Probleme hätten, wenn die Anerkennung ihrer Arbeit so gut wäre, wie sie beispielsweise vor 50 Jahren war. Die hohe Wertschätzung aufgrund des fundamentalen Bedürfnisses des täglichen Sattwerdens hatte damals zwar einen Hintergrund, den wir uns keinesfalls herbeiwünschen. Doch scheint es, dass wegen des Riesenangebots an Nahrungsmitteln in unseren Breitengraden vielen Leuten der Sinn dafür abhanden gekommen ist, was die Erzeugung von gesunden Nahrungsmitteln in einem Land wie der Schweiz für eine Bedeutung hat. Bauernarbeit wird wenig geschätzt.
Die Bauern müssen heute bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinweisen, dass sie zwar einen Auftrag haben zur sicheren Versorgung der Bevölkerung, dass sie im Zusammenhang mit dieser Aufgabe aber auch besorgt sein müssen für gesunde Luft, gesundes Wasser, eine intakte Landschaft und eine dezentrale Besiedelung des Landes.
Die Schweizer Landwirte erfüllen diesen Service public an multifunktionalen Aufgaben gerne. Doch wenn man die Einkommenssituation der Schweizer Bauern betrachtet, muss man sagen, dass die Wertschätzung ihrer Arbeit eigentlich gering ist, ansonsten sie nämlich dafür besser bezahlt würden.
Die schweizerische Agrarpolitik der letzten zehn Jahre hat zu einer massiven Preis- und Einkommenserosion in der Landwirtschaft geführt. Zwar gibt es die Direktzahlungen. Doch diese vermögen die Einkommensausfälle durch den Preiszerfall bei weitem nicht zu kompensieren. Wenn man diese Entwicklung anschaut, kann man zumindest nicht behaupten, die Wertschätzung der bäuerlichen Arbeit sei gewachsen.

Rohkost contra Conveniencefood
Schliessen sich gesunde Lebensmittel und Industrialisierung der Ernährung gegenseitig aus? Während Vertreter der Nahrungsmittelindustrie darlegten, dass verarbeitete Lebensmittel insbesondere in Bezug auf die Inhaltsstoffe ebenso gesund sein können wie die rohen Produkte, zeigte sich die Konsumenten- und Produzentenseite überzeugt davon, dass je näher ein Nahrungsprodukt bei seinem Ursprung belassen werde, desto gesünder es sei. Und das sowohl mit Blick auf die Verarbeitung als auch auf die geografi-sche Verbreitung. Diese Überlegung kommt zumindest teilweise in die Nähe der Philosophie der Liebhaber von Rohkost. Sie essen bekanntlich die Nahrungsmittel am liebsten so, wie sie in der Natur vorkommen. Leute, die gerne naturbelassene Nahrung konsumieren, setzen sich wesentlich bewusster mit den Produktionsmethoden und der Herkunft der Nahrungsmittel auseinander. Und sie bringen diesen eine viel grössere Wertschätzung entgegen als Konsumenten, die das Gemüse aus der Dose und die Rösti aus dem Alubeutel verzehren. Wertschätzung von den Konsumenten Für die Konsumentin und den Konsumenten von naturfrischen Produkten kommt das Essen eben nicht einfach aus dem Supermarkt, sondern ihnen ist bewusst, dass die Nahrung von der Natur kommt, aus dem Boden, von den Bäumen und Sträuchern und von den Nutztieren, wenn von Milch, Fleisch und Eiern die Rede ist. Und je stärker sich der Verbraucher mit der Entstehung und Herkunft von Nahrung befasst, desto stärker nähert er sich dem Bewusstsein des Bauern an. Dieser weiss aus seiner täglichen Arbeit heraus, was es braucht, bis eine gute Kartoffel, ein knackiger Apfel oder eine schöne Tomate erntereif ist. Und weil er von der Saat über die Pflege bis zur Ernte den Werdegang einer Kartoffel gewissermassen begleitet, ist es auch nahe liegend, dass seine eigene Wertschätzung für sein Produkt hoch ist.
Wenn nun seine Äpfel und Kartoffeln zu Konsumentinnen und Konsumenten gelangen, die sich deren Herkunft und Entstehungsgeschichte besinnen, so ist das ein Glücksfall. Diesen Leuten ist dann ähnlich wie dem Bauern klar, was es braucht, bis eine Kartoffel so weit ist, dass sie mit Hochgenuss verspeist werden kann. Und wenn ihnen der Prozess von der wertvollen Saatknolle bis zum schalenfesten Erdapfel bewusst ist, wird ihnen auch klar, dass ein solches Gut nicht umsonst zu haben ist, dass es einen Wert hat, der es rechtfertigt, angemessen bezahlt zu werden. Das ist die Wertschätzung des Konsumenten.
Je näher sich Produzent und Konsument sind, desto höher wird die Wertschätzung des Produkts. Und wenn diese Annäherung zur verlässlichen Allianz wird, kommt das auch langfristig der Wertschätzung der Produkte zugute.

Allianz Konsumenten/Produzenten?
Eine hohe Wertschätzung von Produkten wirkt sich in der Regel auch positiv auf die Wertschöpfung aus. Eine stark sinkende Wertschöpfung hat in den letzten zehn Jahren auf vielen Bauernbetrieben zu grossen Einkommensverlusten geführt. Wenn interessierte Konsumenten jeweils erfahren, welchen Preis der Bauer für ein gewisses Produkt heute noch erhält, und sie dann sehen, was sie dafür im Laden zu bezahlen haben, dann macht sich nicht selten Unverständnis breit. Und wenn der Bauer sieht, was seine Produkte im Laden kosten, kann er das oft nur schwer nachvollziehen. Bei allem Respekt für die Kosten, die zwischen Bauernhof und Ladenkasse anfallen, die bewussten Produzenten und Konsumenten werden zusehends den Eindruck nicht mehr los, dass da über Gebühr hohe Margen abkassiert werden. Wenn der Bauer für seine Produkte immer weniger bekommt, der Konsument im Laden aber trotzdem weiterhin gleich viel bezahlen muss, dann stimmt etwas nicht.
Die Bauern wehren sich deshalb wieder vermehrt für die Werte ihrer Produkte. Sie fordern faire Preise. Doch sie haben einen schweren Stand insbesondere gegenüber den mächtigen Grossverteilern.

Die Frage stellte sich an der Expoagricole, wo denn die Landwirte Schützenhilfe für ihre Anliegen erhalten können. Herr Couchepin jedenfalls schien hier definitiv die falsche Adresse zu sein. Dafür kam zum Ausdruck, dass es ein Potenzial an Unterstützung von einer Seite gibt, die bei genauerer Betrachtung auch an der kurzen Leine gehalten wird.
Wenn den Heerscharen von Konsumentinnen und Konsumenten einmal bewusst wird, dass sie als Einkaufende am anderen Ende der Produktelaufbahn mindestens so viel zur Gewinnmaximierung der Grossverteiler beitragen wie die Bauern als Produzenten und Lieferanten, dann stehen die Chancen gut, dass es zur grossen Allianz zwischen Produzenten und Konsumenten kommt. Diese könnte dann bewirken, so zumindest die in Murten geäusserte Hoffnung, dass die Wertschätzung qualitativ hoch stehender Nahrungsmittel, wie sie in der Schweiz erzeugt werden, bei den Verarbeitern und den Verteilern wieder eine höhere Wertschätzung erzielen könnte. Die Rösti wächst nicht im Alubeutel. Je stärker sich die Konsumenten mit Entstehung und Herkunft von Nahrung befassen, desto mehr schätzen sie eine gesunde Landwirtschaft.

Anschrift des Verfassers:
Ernst Landolt
Bauernsekretär Schaffhausen
Schöne Rai
8455 Rüdlingen


Zusammenarbeit von Produzenten in ausgewählten Marktsegmenten – erläutert an konkreten Beispielen

von Jakob Brütsch, Landwirt, Barzheim

Ausgangslage:
Eigener Landwirtchaftsbetrieb. Ich stamme aus einer Kleinstlandwirtschaft. Heute: Landwirtschaftsbetrieb mit Rindermast – Ackerbau Spezialzweig: Regionale Kompostierung; ostschweizerische Kürbiskerntrocknungsanlage. Familie: Frau und ich, eine Tochter 18 J, zwei Söhne 21 + 15. Beide Söhne wollen in die Landwirtschaft einsteigen. Wir konnten bereits einen zweiten Betrieb pachten und werden dort ein Pilotprojekt starten: Fleischrinderherde Zucht der Rasse "Schweizer Orig. Braunvieh" Meisterlandwirt: langjähriger Lehrmeister Öffentliche Ämter: Gemeinderat, Komissonen Bauernverband , Vorstand "IP Suisse" u.s.w. Wir hatten in Schaffhausen zu meiner Schulzeit mit 600 hauptberuflichen Bauern ca. 20 Jungbauern die jährlich ausgebildet wurden. Heute sind es noch 1 –2 . Aus dieser Sicht wird der zukünftige Landwirt ein "großes Feld" zu pflügen haben. Trotz großen Bundesgeldern, geht es der Landwirtschaft immer schlechter. Bei der Umwandlung von der staatlichen Landwirtschaft in die Marktwirtschaft hatten sich die Bauern auf die Nachfrage ausgerichtet. Es ist deshalb eine freche Unterstellung, der Bauer richte sich nicht auf die Märkte aus. Eher hatten die Bauern es bisher unterlassen, den Markt selber in die Hand zu nehmen und ihn zu bearbeiten. Wir Bauern müssen dem Produktion eine Botschaft geben, welches bis in die Verkaufsregale das Produkt begleitet. Bei der Öffnung der Märkte hatten die Bauern große Angst, sie könnten ihre Produkte nicht mehr verkaufen. Grossverteiler, Handelsketten und Genossenschaften boten den Bauern Vertragsprodukte an. Anstatt selbst den Markt zu bearbeiten, fühlten sich die Bauern in Sicherheit, weil an der Stelle des staatlhen Aufkäufers sie einen Vertrag hatten, welcher den Absatz wieder garantiert.

Beispiel an einem Spitzenprodukt: Brot

Bisherige, konventionelle Situation
Nachteile für die Bauern:
-> Vertrag gibt den Bauern falsche Sicherheit
-> Der Bauer kann auf sein Spitzenprodukt keinen Einfluss nehmen
-> Der Bauer ist Zulieferer und kann ausgewechselt werden
-> Mit dem Marketing des Verteilers bewirbt der Verteiler seine Marke und nicht das Produkt des Bauern
Resultat: die Landwirtschaft kommt in eine Komunikationskrise
Jedes Unternehmen braucht Spitzenprodukte, damit es einen Imagegewinn machen kann. Die Landwirtschaft hatte die Spitzenprodukte den Verteilern als Imageträger abgetreten. Der Imagegewinn würde helfen, auch die weitere Produktionspalette des Unternehmens anzuheben. Forderung: Die Landwirtschaft muss die Spitzenprodukte als Imageträger selber in die Hand nehmen.

Beispiel : "IP-Suisse"
Vorteile:
-> Die Marke der Bauern kommt an die Verkaufsfront
-> Es gibt einen Imagegewinn für die Landwirtschaft
-> Vom Anbau über Handel bis zum Marktauftritt hat IP Suisse die Prozesse fest im Griff
-> Mit 30 % Marktanteil vom Inland Brotgtreideanbau ist IP Suisse der Marktlaeder geworden, das heißt IP Suisse handelt mit seinen Abnehmern die Preise aus und die restliche Produktion richtet ihre Preise danach.

 

Ergebnis:
-> IP Suisse bearbeitet den Markt
-> IP Suisse Bauern sind nicht Zulieferer von Rohstoffen sondern Marktpartner
Mit dem direkten Marktauftritt wird Kommunikation betrieben.. 1996 war ich dabei, als das erste Mal durch Bauern die Verteilzentren der Grossverteiler blockiert wurden. Beim Aufstellen und Entwerfen der Forderungen versuchte ich dazumal vorzuschlagen, Druck auf die Grossverteiler zu machen. Die Grossverteiler sollen angehalten werden, Label und Markenprodukte von Bauern großzügiger ins Sortiment aufnehmen. Von den Blockadebauern wurde ich leider nicht verstanden, sie freuten sich an einer Schweinepreis Erhöhung von 20 Rp. und zogen die Traktoren wieder ab. Ich beurteile das Problem damals wie heute so: Die Bauern und auch die Exponenten der Landwirtschaft erkennen den tieferen Grund der Kommunikationkrise nicht. Die Kommunikation der Verteiler: Dem Konsumenten, welcher sich weit entfernt hat von der landwirtschaftlichen Produktion, wird ein heiler Bauernhof nach der Kuscheltierperspektive vorgezeigt, mit Jodler und Kuhglocken u.s.w. Beim kleinsten Skandal halten solche falschen Etiketten nicht stand. Verlierer sind die Produzenten: Und der Verteiler füllt den Warenkorb der Konsumenten gleich mit anderen Produkten. Neustes Beispiel: "BIO Weidebeef"; Ein kluger Bauer hatte eine Fleischmarke aufgebaut und niemand außer einem Grossverteiler hatte Interesse. Der Verteiler übernahm die Marke selbstverständlich um Imagegewinn zu machen und nicht wegen dem Umsatz auf diesem Segment. Täglich sieht man auf allen Schweizerstrassen Lastwagen mit dem sympathischen Logo "BIO Weidebeef" dazu abgebildet 4 braune Rinder auf einer Alpweide. Das gleich Bild auf einer Broschüre aufgelegt auf der Fleischtheke beim Verteiler auf den ersten Blick gewinnt man Vertrauen, weil BIO sowieso unumstritten ist und die braunen Rinder machen Erinnerungen wach vom letzten Ausflug in die Schweizer Berge. Beginnt man das Papier näher zu durchleuchten hat’s auf der zweiten Seite schon ausländische Rassen abgebildet und im Text steht; Es werden hauptsächlich ausländische Mastrassen verwendet. Ich habe kein Problem mit ausländischen Rasse, aber es ist eben ein Etikettenschwindel, welcher nicht nötig wäre. Wenn ein Bauer Werbung macht für seine Tiere würde er niemals die Tiere des Nachbarn fotografieren auch wenn sie schöner wären. Der Konsument kommt ja später der Wahrheit schon noch auf die Schliche. Aber das Vertrauen in die gute Produktion schwindet so. Die Werbung, die Aufmachung, die Botschaft muss mit dem Produzent übereinstimmen. BSE Erinnerung: Büdnerfleisch wurde 1996 in der Schweiz plötzlich mit Fleisch aus Argentinien hergestellt. Ein gutes Beispiel: " Natura Beef ". Diese Idee wurde durch Bauern aufgebaut und auch gehütet. Der Handel wurde nur durch zwei lizenzierte Unternehmen geduldet, damit die ausgehandelten Preise auch realisiert werden. Ein Grossverteiler hat sich mit dieser Marke auch ein Imagegewinn geholt. Zugegeben sei, dass er auch immer wieder Forderungen gestellt hat. Wichtig: Die Bauern liefern ein Markenprodukt welches ihnen selber Imagegewinn bringt. "Flaggschiff" Sie sind nicht mehr Rohstofflieferanten für Grossverteiler Marken. Emmentaler Käse: Resigniert nehmen nicht nur die Schweizer Bauern sondern auch die Politik und ein Teil der Bevölkerung zur Kenntnis, dass der Schweizer Emmenthaler kein Markenprodukt ist, sondern ein Herstellungsverfahren, welches in der ganzen Welt angewendet werden kann. — Eine absolute Tragödie für die Schweizer Landwirtschaft. Nach Markenrecht wäre aber die Schweiz bestimmend im Herstellungsverfahren. In der Schweiz wird ausschließlich mit Rohmilch gekäst, im Ausland mit pasteurisierter Milch. Das Ursprungsland hat das Recht die Produktionsart zu bestimmen. Es wäre an der Zeit, international unser Käseherstellungsverfahren für Emmentaler durchzusetzen. Ich hatte die Gelegenheit vor 3 Jahren am 17. Mai direkt im Bundeshaus Herrn Couchepin anzusprechen und habe ihn aufmerksam gemacht, auf die Möglichkeit. Er hat mich (über den Röstigraben) nicht verstanden. Er sagte Markenrecht ist nicht Sache des Bundes. Kurz darauf kam der französische Staatschef um über Landerechte und Champagner zu verhandeln und der Bundesrat hat den Franzosen Recht gegeben, obwohl er laut Aussage nicht zuständig ist für Markenrecht...

Zusammenfassung: Aktion Zukunftwerkstatt
• Wir brauchen vorallem die Spitzenprodukte bzw. Markenprodukte am Markt konsequent zu plazieren und zu verteidigen mit allen unangenehmen Nebenerscheinungen; z.B. Konfrontation mit dem Ausland und anderen Marktpartner.
• Bauern sollten den Sinn für Marken und Spitzenprodukte erkennen und mit tragen, wenn sie auch nicht direkt davon profitieren.
• Bauernverbände müssen den Sinn für Imageträger erkennen und endlich mit den Akteuren zusammenarbeiten, dabei weniger Rücksicht nehmen auf Parlamentarier, sondern denen klare Anweisungen geben.
• Die Wahl des neuen Bauernverbandsdirektor soll weniger nach politischen Vorstellungen sondern vermehrt nach Marktorientierung gewählt werden
• So fast hoffnungslos wie ich als Kleinbauer in die Landwirtschaft eingestiegen bin und mit klarem Ziel ein Landw. Unternehmen aufbaute, müsste es den Bauern auch gelingen, aus der Krise herauszukommen.
• Es war mein persönliches Glück, dass ich auf die rechten Ratgeber horchte.
• Ich hoffe die Bauern finden den Weg zu den Konsumenten wieder.
• Der Bundesrat und die Bundesämter müssen sich strategisch mehr für Bauernmarken einsetzen, helfen beim Markenschutz und auf internationaler Ebene kämpfen für die Anerkennung der Schweizer Landwirtschaftsprodukte.
Auseinandersetzungen nicht scheuen: sie bringen häufig Imagegewinn.

Anschrift des Verfassers:
Jakob Brütsch
Landwirt
i de Lache
8241 Barzheim


Der wirtschaftliche Druck: Warum verdienen die Bauern immer weniger und warum nimmt die industrielle Wertschöpfung immer mehr zu?

von Alexander Caspar, Zürich


Aus einer von jeglicher Regulierung befreiten Anarchie des Marktes, der aus seinem Prinzip von Angebot und Nachfrage heraus alles Wirtschaften initiieren soll, so wurde uns seit Jahren eingehämmert, resultiere eine sich selbst regulierende, ständig erneuernde Ordnung der miteinander wirtschaftenden menschlichen Gemeinschaft und mehre dadurch effizienzbedingt den Wohlstand. Als Institution, welche über diese Weisheitslehre wachen sollte, wurde die "Welthandelsorganisation" (WTO) geschaffen. Also bauten wir als gehorsame Schüler landwirtschaftliche Flächen ab, legten andere zusammen, reduzierten die in der Landwirtschaft Tätigen, verlagerten Industrien ins Ausland, sofern wir sie nicht zerstörten. Da die allgemeine Wohlstandsmehrung bisher ausblieb, heisst es, ihr müsst noch mehr abbauen, noch mehr rationalisieren.
Und nun kommen die USA als wirtschaftlich und politisch-militärisch mächtigstes Land, setzen industriell bei den Stahlimporten ein Zeichen und machen im Landwirtschaftssektor mit den angekündigten Subventionen deutlich, dass sie der Landwirtschaft offensichtlich keine Nebenrolle zuordnen. Steckt hinter der von unseren harmlosen Gemütern als Häresie bezeichneten Aktion vielleicht etwas viel Gewichtigeres, nämlich die Rolle der Landwirtschaft überhaupt?
Vor eine weitere Frage stellt uns Argentinien. Eines von der Naturgrundlage her reichsten Länder der Welt liegt wirtschaftlich komplett danieder. Was läuft dort schief, dass die Grundrente nicht nutzbar gemacht werden kann; Grundrente definiert als Ertrag des Bodens unter Berücksichtigung der Produktivität? Die argentinische Krise wurde als internes und externes Liquiditätsproblem dargestellt. Braucht es vielleicht ganz andere Kriterien der Geldschöpfung als die heute geltenden?
Gibt es einen Zusammenhang der Fragen, die uns die beiden Länder stellen, mit unserem Thema?
Um das Auseinanderdriften der Einkommen der in der Landwirtschaft von den in der Industrie Tätigen begreiflich zu machen, stellen wir zunächst die Frage nach

der Wertbildung - was ist ein wirtschaftlicher Wert
der Kapitalbildung - was bedeutet in nicht geldlicher Betrachtung Kapital
der Preisbildung - welche Funktion übernimmt der Preis in einem Wirtschaftssystem?

Dann müssen wir sehen, in welchem Verhältnis die heutige Geldschöpfung zu den drei Prozessen steht.


Zur Bildung des Wertes

Nach der heute gängigen Auffassung ist der Wert einer Leistung gleich dem Markt- bzw. Geldpreis; Leistung definiert als materielles oder immaterielles Arbeitsergebnis. Diese geldkapitalistische Betrachtungsweise liefert eine bloss nominelle, zum Menschen beziehungslose Vergleichsgrösse. Denn der Preis ist ja lediglich Ausdruck des Verhältnisses zweier ausgetauschten Leistungen.

Zur Erfassung des eigentlichen wirtschaftlichen Wertes kommen wir, wenn wir ihn dinglich oder real in seiner Beziehung zum Menschen fassen. Dazu gehen wir von der Tatsache aus, dass eine bestimmte Bevölkerungszahl zu ihrer Existenz eine bestimmte Bodenfläche benötigt. Die Wertbildung nimmt also von der Bearbeitung des Bodens ihren Anfang. Sobald wir von der Selbstversorgung zur arbeitsteiligen Wirtschaft übergehen, kommt die Arbeit als wirtschaftlicher Faktor in Betracht. Indem die Arbeit ein Naturprodukt verändert oder unverändert in Zirkulation bringt, entsteht ein wirtschaftlicher Wert. Alle durch körperliche Arbeit einer Gemeinschaft am Boden gewonnenen Güter ergeben den Naturgewinnungswert, von dem jeder lebt. Geteilt durch die Bevölkerungszahl stellt er die Sozialquote dar. In dem Verhältnis der Bevölkerungszahl zur benötigten Bodenfläche liegt die Wertbildung ursprünglich begründet, weil alle Arbeit, die geleistet werden kann, von der Bevölkerungszahl abhängt, und alles, womit sich die Arbeit verbindet, aus dem Boden kommt. Denn das ist, was jeder benötigt, wovon jeder lebt. Und für diejenigen, welche wegen ihrer geistigen Leistungen Arbeit am Boden ersparen, nicht leisten, müssen diejenigen, welche in der Bodenbearbeitung verbleiben, deren Teil mitleisten.


Zur Bildung des Kapitals

Die Organisation der Arbeit durch den menschlichen Geist schafft einen zweiten Wertbildungsfaktor. Sein Ergebnis nennen wir Organisationswert. Dieser bemisst sich in erspartem Naturgewinnungswert oder, anders ausgedrückt, der Wert der geistigen Leistung entspricht dem, was sie an körperlicher Arbeit unmittelbar am Boden nicht leisten muss. Die Umsetzung des Organisationswertes in künstliche Produktionsmittel, mit deren Hilfe Bodenprodukte weiterverarbeitet werden, macht die Industrie bzw. die industrielle Produktion aus. Die Industrie verwandelt Naturprodukte in Industrieprodukte und gibt solche der Landwirtschaft auch zur Erhöhung der Produktivität zurück. Die Organisation der Arbeit direkt, aber dann vor allem Organisationswert in Form von Industrieprodukten ermöglichen der Landwirtschaft die Erwirtschaftung eines Ertragsüberschusses, welcher Arbeit unmittelbar an der Natur befreien kann bzw. eine Freistellung für geistige Tätigkeiten erlaubt. Der dank Produktivität erzielte Ertragsüberschuss der Bodenproduktion bildet einerseits das Kapital, aus dem die Industrie finanziert wird, anderseits die Grundrente, von der der Staat, das Bildungsleben, das Gesundheitswesen, die Alten, Kinder leben. Also aller Industrialismus arbeitet mit einem Passivum gegenüber der Landwirtschaft oder, anders ausgedrückt, wird vom Ertragsüberschuss der Landwirtschaft erhalten. Die Ersparnis körperlicher Arbeit in der Landwirtschaft bildet das Kapital, mit dem die Industrie arbeitet und dessen Höhe den Wert ihrer Leistungen bestimmt. Dass die Entstehung und Bedeutung der Kapitalbildung und der Grundrente nicht mehr verstanden werden, liegt in unserer Geld- und Kreditwirtschaft begründet, letztere ermöglicht durch das Institut des Eigentums; bezüglich Grundrente allerdings auch durch das heutige Steuerwesen bedingt. Ein Land, das die Rolle der Landwirtschaft in diesem Zusammenhang voll erfasst hat - scheinbar mehr instinktiv als bewusst - , sind die USA. Daher werden diese immer auf der Erhaltung ihrer Landwirtschaft beharren und letztere niemals einer Zerstörung anheim fallen lassen.

Wenn wir uns die Leistungen, im Ursprung hervorgehend aus dem Verhältnis der Bevölkerungszahl zur benötigten Naturgrundlage denken, haben die Leistungen in diesem Ausgangsstadium ihren objektiven Wert, der zusammenfällt mit dem subjektiven Beurteilungswert, den der einzelne Mensch ihnen beilegt. In dem Masse, in dem das Wirtschaften unter Menschen sich davon entfernt, dass der Einzelne bloss für sich und seine Allernächsten sorgt, und in einen allgemeinen Leistungsaustausch übergeht, ist die Übereinstimmung des Wertes, den das Bedürfnis einer Leistung beimisst, mit demjenigen, den der Hervorbringer einer Leistung derselben zu seiner Bedürfnisbefriedigung beizumessen hat, nicht mehr unmittelbar gegeben. Und damit kommt das Problem auf, wie sich die Leistung eines jeden, gegenüber derjenigen des andern bemisst, damit und sodass er bis zur Erbringung einer gleichen oder gleichwertigen Leistung seine Bedürfnisse aus den Leistungen anderer befriedigen kann und zwar bei freier Bedürfnisentfaltung. Darin zeigt sich das Problem der Preisbildung , dass der Preis nicht nur ein Ausdruck des nominellen Verhältnisses von Werten ist, sondern zugleich Vergleichsgrösse zur Sozialquote.


Zur Bildung des Preises

Das Mass für den Wert aller Leistungen bildet die Gesamtheit der Arbeitsergebnisse unmittelbar an der Natur. Es ist dies das "Urwertmass" , worin der von Bedürfnis und Herstellung einem Gut beigemessene Wert identisch ist, ein monetär zunächst noch nicht definierter Wert - eine nicht geldliche Wertvorstellung. In dem Urwertmass, basierend auf der Bevölkerungszahl zur benötigten Naturgrundlage, findet jeder Mensch anteilsmässig in der Sozialquote sich selbst, als Bezugsgrösse wieder. Der Wert einer Leistung wird richtig geschätzt sein, wenn dieser im Vergleich zur Sozialquote die Waage hält. Nun ist das Preisgefüge zwischen Industrie und Landwirtschaft offensichtlich nicht in diesem Gleichgewicht. Das bedingt die heutige Art der Geldschöpfung, die nicht in einem inneren Zusammenhang mit jenem als Naturgewinnungswert bezeichneten Basiswert steht. Diesem müsste sie das nominelle Mass geben.
Industrieprodukte als vom menschlichen Willen abhängige Erzeugnisse sind der Menge, aber auch der Beschaffenheit nach beliebig vermehrbar. In der Industrie herrscht, wenn es darauf ankommt, Geld zu erwerben, eine völlige Gleichgültigkeit nicht nur gegenüber der Arbeitsweise, sondern ebenfalls gegenüber dem Arbeitsprodukt, gegenüber demjenigen, was gearbeitet wird. Die Landwirtschaft kann diese Art der industriellen Denkweise nicht übernehmen. Denn die Landwirtschaft hat nicht wie die Industrie die Möglichkeit, auf immer neue Produkte auszuweichen, die Palette ihrer Erzeugnisse und deren Menge beliebig zu vergrössern. Aber selbst wenn nun die Landwirtschaft zwangshaft fortlaufend rationalisieren würde, sei es zur Arbeitseinsparung, wodurch Menschen für andere Leistungserbringung freigestellt würden, sei es zur mengenmässigen Ausdehnung der Produktion, sie könnte es ja nur mit Hilfe von Organisationswert integrierenden Industriegütern. Wird nun, wie das heute der Fall ist, die Geldmenge permanent - nach Möglichkeit, mit der Leistungsmenge - erhöht, wird der Organisationswert monetarisiert. Das heisst, das Preisniveau der industriellen Güter als Gesamtheit wird gegenüber demjenigen der landwirtschaftlichen Güter überhöht, auch wenn aufgrund von Rationalisierung die Preise einzelner Industriegüter zurückgehen. Der kompensatorische Effekt des Organisationswertes zugunsten der Landwirtschaft für ihren Unterhalt der Industrie wird so zunichte gemacht.
Wie wir eingangs feststellten, ist nach heutiger Auffassung der wirtschaftliche Wert gleich dem Preis einer Leistung. Der Marktpreis bestimmt die Höhe des Leistungserträgnisses und bildet somit Anreiz für die Leistungsmenge. Da aufgrund des heutigen Wertverständnisses Leistungserträgnis und Einkommen nicht als Grössen für sich erfasst werden können und sie daher, das gesamte soziale Leben tyrannisierend, interdependent wirken, wird die Konjunktur zur Obsession des Wirtschaftens. Dann wird das Leistungserträgnis eigentlicher Initiator des Wirtschaftens, nicht das Bedürfnis. Bedürfnisse wie auch wissenschaftliche Erkenntnisse, in denen sich die kulturelle Entwicklung spiegelt, dürfen sich manifestieren, soweit sie der Wirtschaft dienstbar sind. Höhere Kosten werden nicht der Landwirtschaft für eine hochstehende, Gesundheit erhaltende Ernährung, sondern einem Gesundheitswesen zugestanden, von dem die industrielle Produktion profitiert.


Die direkte Verbindung von Produzenten und Konsumenten als Voraussetzung zur Gesundung der Verhältnisse

Die direkte Assoziierung der Landwirtschaft mit den Verbrauchern ist zweifellos der richtige Anfang eines Wirtschaftens, das von den Bedürfnissen her seinen Ausgang nimmt. Aber man wird dabei nicht stehen bleiben dürfen, will man nicht in die Misere des jetzigen Zustandes zurückfallen. Die Industrie wird mit der Zeit in die gleiche Situation kommen, in der die Landwirtschaft sich jetzt befindet. Eine immer breiter werdende Öffentlichkeit wird sich wohl mit der Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach der Wert- und Kapitalbildung, der Preisbildung und Geldschöpfung vertieft befassen müssen.
In der Auseinandersetzung zwischen Leistungserträgnis und Sozialquote kann es nicht darum gehen, an die Stelle des freien Warenverkehrs im Zeichen von Angebot und Nachfrage eine Zwangswirtschaft zu setzen. Sondern aus Einsicht die gegenseitige Bewertung der Leistungen so zu gestalten, dass ein Ausgleich zwischen den Bedürfnissen und dem Wert der Leistungen möglich wird, oder anders ausgedrückt, dass im wesentlichen der Wert einer Leistung dem Werte anderer Leistungen entspricht, für welche der Erzeuger in der Zeit Bedarf hat, die er auf die Erzeugung einer gleichen oder gleichwertigen Leistung verwendet.


Anschrift des Verfassers:

Alexander Caspar
Sempacherstrasse 45
8032 Zürich

Literaturhinweis:Alexander Caspar, Wirtschaften in der Zukunft, 1996, ISBN 3-264-83149-X


Warum verdienen die Bauern immer weniger?

Erläuterungstafeln von David Schmid, Effretikon
Begleittext, Hans Bieri, Zürich

Die Landwirtschaft ist Teil der Wirtschaft. Wenn die Menschen wirtschaften, dann tauschen Produzenten und Konsumenten Leistungen und bezahlen gegenseitig die Leistungen, indem sie dafür einen Preis entrichten. Die Leistungen, welche die Menschen untereinander zur Befriedigung von Bedürfnissen tauschen, haben einen bestimmten Wert. Die Preise bringen diese Werte zum Ausdruck. Heute bekommen die Bauern immer weniger für ihre Produkte. Ihre Preise sind immer schlechter und in der Folge sinkt ihr Einkommen deutlich. Irgendwie können wir heute nicht mehr beurteilen, ob dieser Prozess wirtschaftlich sinnvoll ist. Unsere eigene Landwirtschaft droht zerstört zu werden. Wir ahnen zwar, dass die Landwirtschaft wichtiger ist, als die tiefen Prei-se, welche die Bauern erhalten, dies zum Ausdruck bringen.

Bevor wir dazu die Antwort geben können, müssen wir mehr Klarheit über das Wirtschaften in einer arbeitsteiligen Gesellschaft bekommen:
Die Menschen erbringen grundsätzlich zwei verschiedene Formen von Leistungen:
Erstens erzeugen die Menschen materielle, in Gewichten messbare Leistungen, wodurch materielle Dinge aus der Natur gewonnen und verbraucht werden. Die zweite Art der Leistungen sind organisatorische Leistungen, wodurch die aus der Natur gewonnenen Stoffe durch Arbeitsorganisation, Kombinatorik, also geistige, ingenieursmässige und wissenschaftliche Kreation umgeformt und zu neuartigen Produkten hergestellt werden.
Die erste Art der Leistung ist kennzeichnend für die Subsistenzgesellschaft, die fast nur materielle Güter hervorbringt und sie selbst verzehrt. Auch in der arbeitsteiligen Gesellschaft ist die erste Art der Leistung ein Teil, oft ein verschwindend kleiner Teil — aber immer ein Teil auch höchstentwickelter industrieller Spitzenprodukte.

 

Tafel 1: Basis der Wertbildung; die dingliche Produktion an der Naturgrundlage
Das Bild zeigt Land-/Holzwirtschaft und Bergbau im Sinne rein körperlicher Arbei; ohne moderne, mechanisierte Technik.


Die zweite Art der Leistung ist wie oben schon erwähnt vor allem eine durch den Organisationsgrad, das heisst, durch den Grad der Arbeitsteilung der Gesellschaft erbrachte Leistung. Sie wird in der arbeitsteiligen Industrie — zusätzlich zur ersten Leistung der Hervorbringung von Naturstoffen — durch Organisation dieser Materie in der arbeitsteiligen Gesellschaft erzeugt. Diese arbeitsteilige Entwicklung der Wirtschaft ist aber nur möglich, wenn im Gegenzug die materiellen Basisgüter der Versorgung (Tafel 1) von immer weniger Menschen hervorgebracht werden können, da ja diejenigen, die nun in Industrie und Dienstleistung arbeiten, von ihrer ehemaligen Selbstversorgung freigestellt werden müssen. Diese Leistung übernehmen für sie die in der Landwirtschaft zurückbleibenden Landwirte, welche mit Mitteln aus Gewerbe und Industrie ihre Leistungsfähigkeit erhöhen. Ohne die Definition eines wirtschaftlichen Gesamtverbandes, innerhalb dem sich diese Spezialisierungen gegenseitig herausbilden, ist eine gerechte, gegenseitige Preisbemessung nicht möglich. Die heutigen Theorien der Wohlstandsmehrung durch sogenannte "Marktöffnungen" blenden diesen Zusammenhang aus.
Tafel 2: Wie schafft die Industrie Werte?
Zum Bilde: der Holzfäller entnimmt die Rohstoffe aus der Natur — der Wagner fertigt daraus ein Instrument zur Arbeiterleichterung. Damit beginnt die ARBEITSTEILUNG, der Wagen führt zu Arbeitserleichterung und Arbeitsersparnis. Der Industrieprozess beginnt mit einer systematischen Nutzung der Arbeitsorganisation.


Dass eine solchermassen spezialisierte Gesellschaft bei 3% Bauern nicht mehr in der Lage sein soll, ihre materielle Güterproduktion im Lebensmittelbereich, erzeugt durch wenige Prozente der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, ausreichend bezahlen zu können, bedarf der Erklärung:
Einkommensmässig wird die Landwirtschaft, welche ja völlig in den arbeitsteiligen Prozess integriert ist und einen fundamentalen Beitrag an die Industrialisierung der Gesellschaft leistet, so behandelt, wie wenn sie parsitär, unfähig und rückständig wäre. Durch die Wirkung der Preis-Kosten-Schere geht es der Landwirtschaft sogar in den USA einkommensmässig so schlecht, dass Präsident Bush mit der revidierten Farm Bill eingreifen musste, damit das Produktionspotential der amerikanischen Landwirtschaft nicht gravierenden Schaden nimmt. Dass es damit nicht an der wirtschaftlichen Rückständigkeit liegt, dürfte der technologische Stand der US-Landwirtschaft ausreichend belegen.
Wie erklärt sich dann aber der drohende Ruin der Landwirtschaft in allen entwickelten Industrieländern?

 

Tafel 3: Leistungen und Einkommen pro Beschäftigten im Vergleich: Es wird dargestellt, wie die Landwirtschaft in den letzten 50 Jahren pro Beschäftigten einen ähnlichen oder sogar höheren Produktivitätszuwachs hatte als die Industrie/Dienstleistung. Gleichzeitig hat sich das Einkommen der Landwirtschaft überraschenderweise nicht diesem Fortschritt ihrer Produktivität entsprechend entwickelt wie in Industrie/Dienstleistung.



Vereinfacht gesagt wachsen heute Industrie und Dienstleistung zusammen mit der Geldmenge, während die Landwirtschaft an den Boden gebunden und ihre Leistungsmengen mit der Zahl der zu versorgenden Menschen begrenzt bleibt. Dadurch gerät die Landwirtschaft auch in modernsten Industrieländern gleichermassen in Einkommensrückstand wie in Ländern mit einem prozentual noch höheren Anteil an Bauern. Bei dieser heute geltenden volkswirtschaftlichen Praxis wird die Leistung von Industrie/ Dienstleistungswirtschaft, die eigentlich eine gesellschaftliche Leistung der Arbeitsteilung ist, zusätzlich zu der ersten Art der rein materiellen Leistungserbringung hinzugefügt, wie wenn es sich in Industrie und Dienstleistung noch immer um die Produktion von Kartoffelsäcken handeln würde. (Tafel 1). Sogar reine Unfälle, die ja nur Schaden und zusätzlichen Aufwand bedeuten, ohne dass es mehr zu verteilen gibt, erscheinen so in der volkswirtschaftlichen Rechnung als zusätzlich erbrachte, verteilbare Leistung. Das bläht volumenmässig das Geldwachstum rein durch Umtriebe, sodass der prozentuale Anteil der materiell für eine konstante Bevölkerungszahl produzierenden Landwirtschaft am volkswirtschaftlichen Ganzen immer geringer wird. Dadurch werden die Preise der Landwirtschaft, unabhängig davon wie stark sie rationalisiert hat, relativ zum stark wachsenden gesamten Geldvolumen immer mehr "verwässert" , d.h. die Produzentenpreise bleiben hinter der übrigen Preisentwicklung deutlich zurück. Hier liegt der Fehler. Denn die Preise, welche die Landwirtschaft realisieren können muss, müssen einen Bezug haben zur Anzahl Menschen, welche der einzelne Landwirtschaftsbetrieb innerhalb einer Volkswirtschaft miternährt. Es geht also strikte um den Zusammenhang, wie viele der in die Industrie und Dienstleistung Abgewanderten (ehemaligen Bauern) können die zurückbleibenden Landwirte ernähren. Wenn man diesen Zusammenhang nicht berücksichtigt, bleibt unklar und folglich nicht bestimmbar, wie eine Gesellschaft die Früchte ihrer arbeitsteiligen Organisation auch nutzen kann. Und es bleibt vor allem im Bezug auf die Landwirtschaft im Dunkeln, welche Preise die in der Landwirtschaft verbleibenden Bauern für ihre Produkte lösen müssen, um die aus der Landwirtschaft ausgeschiedenen ehemaligen Bauern zu konstanten Bedingungen sicher ernähren zu können, bzw. an deren industriellen Leistungen mit einem adäquaten Preis für Industriegüter partizipieren zu können. Diese Unübersichtlichkeit erfahren wir im Moment in der Preis-Kosten-Schere als zunehmende Bedrohung, ja sogar Zerstörung von Landwirtschaft und Industrie, sowie der Sozialwerke, des Bildungswesens etc..
Um das Problem zu lösen, müssen die Rationalisierungsfortschritte vom Volumen der ersten, rein materiellen Wertbildung in Abzug gebracht und nicht dazugeschlagen werden. Wo aus Gründen der Standards keine Rationalisierungen mehr möglich oder bei der Nahrungsmittelqualität keine mehr erwünscht sind, können diese Leistungen nur zu konstanten Bedingungen weitergeführt werden. Das ist jedoch nur möglich, wenn die Rationalisierungsgewinne nicht an den Kapitaleigentümer abgeführt, sondern als Kaufkraft den Konsumenten zur Verfügung bleibt. Wird dieser Zusammenhang, dass die Landwirtschaft — auch wenn sie sehr stark rationalisiert wurde — die Grundlage der Industriegesellschaft bleibt, dann zerstören wir sukzessive — trotz enormen Fortschrittspotentialen — alle volkswirtschaftlichen Bereiche, die aus Gründen der Umwelt oder der Qualitätsstandards an gewisse Sättigungsgrenzen gelangen. Die Lage in der Landwirtschaft bedeutet diesbezüglich ein Alarmsignal, das uns motivieren soll, diese Zusammenhänge nach 200 Jahren "Strukturwandel" zu überdenken.


 

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