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Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft

SVIL Tagung 2005

Boden, Landwirtschaft und Ernährung unter dem zunehmenden Druck des Geldes

Die Referate

Die nachfolgenden Texte basieren auf Texten der Referate oder auf Zusammenfassungen der Tonaufzeichnungen.

Hans Bieri, SVIL
Einleitung

Ein übertriebenes, von der realen Wirtschaft losgelöstes Wachstum der privaten Geldvermögen weit über alles hinaus, was jemals auf dem Boden an Werten hergestellt werden könnte, drückt unter anderem auf die Rohstoffpreise und die landwirtschaftlichen Produktepreise überall auf der Welt. Und zwar verdienen die Landwirte für ihre Lebensmittelproduktion überall auf der Welt zuwenig.

Eine gewisse Sättigung des materiellen Konsums in den hochentwickelten Ländern führt dazu, dass die Wachstumsraten für privates Geldkapital sinken müssen. Dieser „Einsicht“ versuchen sich die Geldvermögen dadurch zu entziehen, dass sie samt Technologie, die in den Industrieländern zur Entwicklung Jahrzehnte gebraucht hat, Tieflohnländer aufsuchen. Dort sucht das Geldkapital samt mitgebrachter Technologie sich mit den dort vorhandenen Löhnen und tiefen Produktionskosten zu verbinden und Monopolgewinne zu erwirtschaften. Diese Gelderträge, die auch in den Entwicklungsländern nur beschränkt neu angelegt werden können, streben wiederum danach, in den Zentren der Industrieländer im Immobilienbereich verstärkt angelegt zu werden. Sie helfen dabei, die produzierende Wirtschaft von der Landwirtschaft bis zur Industrie brachzulegen, durch billigeren Import zu ersetzen und nun in den so geschwächten Nutzungsstrukturen neuen Wertzuwachs durch Bodenpreissteigerungen auf Kosten der Raumordung durchzusetzen. Das wiederum erlaubt bedeutend höhere Gewinne, als sie in produktiven Anlagen je möglich sind. Dadurch werden zusätzlich sichere Anlagen für Gelder geschaffen, die ihrerseits keine Anlage mehr in den Produktionsbereichen finden.
Dieser durch das Geld vorangetriebene Wachstumszwang erklärt die heute verstärkte Tendenz zur Auflösung der Raumplanung und des Bodenrechts in der Schweiz, das offene Bekenntnis zu einer neuen unbeschränkten Metropolisierung der Schweiz, die Gelassenheit gegenüber der Entindustrialisierung und die aktive Stimmungsmache gegen die Beibehaltung einer eigenen Landwirtschaft aus rein „wirtschaftlichen“ Gründen. Dieser Gelddruck ist so enorm, dass die Bemühungen, das notwendige Landwirtschaftsland für die Zukunft zu reservieren, zunichte gemacht werden. Die Landwirtschaft, welche nicht Geldinvestitionen laufend vermehrt, sondern lediglich die Bedürfnisse der Konsumenten nach gesunden, frischen und risikolosen Lebensmitteln laufend von Neuem deckt, wird von aussen als wenig einträglicher Wirtschaftsbereich verkannt. Das grundlegende Reformziel unter dem aktuellen Gewinndruck des Geldes ist es, die durch Bauern betriebene Landwirtschaft als letzen, noch an der Bedarfsdeckung und weniger am erwerbswirtschaftlichen Gewinn orientierten Wirtschaftszweig aufzulösen, aus ihrem angestammten Markt zu verdrängen, durch ein System der Bewirtschaftung von Naturressourcen und Technologien, welche die ausschliessliche Aufgabe haben, die Marktstellung zu stärken und nicht der Gesundheit der Menschen und der Nachhaltigkeit der Produktion zu dienen. Dies geschieht ohne Rücksicht auf hohe Schadensrisiken für Mensch und Umwelt.

Die WTO-induzierten Reformanstösse zielen immer offener darauf ab, die Landwirtschaft aus ihrem angestammten Bereich zu verdrängen. Gleichzeitig werden aber auch die vorhandenen Chancen, dass nämlich die Bauern als Ersatz für bisherige staatliche Regulierung wieder näher an den Konsumenten heran-rücken sollten, durch die Nahrungsmittelkonzerne mit den Möglichkeiten der Privatisierung der biologischen Grundlagen der Ernährungswirtschaft zu unter-binden versucht. Hier liegt der wesentliche Widerspruch der laufenden Agrar-reform, der offen gelegt und gelöst werden muss: gesamtwirtschaftlich sowie vom Standpunkt der Bedarfsdeckung und der Nachhaltigkeit ist die bäuerliche Land-wirtschaft die effizienteste Form der Lebensmittelproduktion. Allerdings ist damit auch klar, dass der Geldkapitalanleger hier keinen Wachstumsmarkt finden kann. Die Handelsverhandlungen der WTO gehen jedoch davon aus, dass aus dem Ernährungsbereich der zukünftige globale Wachstumsmarkt geschaffen werden muss. Die bisherigen nationalen Agrarregulierungen, die sich genau mit diesem Konflikt herumschlagen und diesen innerhalb der geltenden Erwerbswirtschaft nicht abschliessend lösen konnten, bleiben solange handlungsunfähige Opfer, wie sie den geschilderten Gesamtzusammenhang nicht durchschauen. Auch auf nationaler Ebene helfen jene Interessen, die ebenfalls an einem bedingungslosen Wachstum interessiert sind, weil sie sonst nicht mehr wissen, wie sie die bekann-ten Probleme der Staatsverschuldung, der fehlenden Steuern, der reissenden sozialen Netze etc. lösen wollen, den Reformzielen der WTO. Reformziele wie die Lockerung der Raumplanung und des bäuerlichen Bodenrechts beinhalten die Verlagerung unserer Ernährung ausser Landes. Sie folgen den Vorstellungen, im Ernährungsbereich einen Wachstumsmarkt zu schaffen. Vom Kapitalanleger-standpunkt her scheint das möglich, von den realen Möglichkeiten des Bodens und der Natur ist das nicht möglich.
Die Frage ist, wie viel Schaden angerichtet werden muss, bis dieser gesamtöko-nomische und biologisch/physikalische Reformirrtum global erkannt wird?

Lösungsvorschläge
Als Lösung steht ein mehrstufiges Vorgehen zur Diskussion. Zunächst einmal muss die untragbare Einkommenssituation der Landwirtschaft mit dem oben festgestellten Auseinanderdriften von Geldkapital und Realwirtschaft genau analysiert werden. Die Lösung muss dabei ansetzen, dass die verzerrende Wirkungsmacht des Geldes über die realen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse eingeschränkt werden muss. Es wird an der Tagung vorgeschlagen, das Geld wieder an dingliche Güter zu binden. Das würde zumindest die Richtung weisen, dass das jetzige Auseinanderdriften von Realwirtschaft und Geldwachstum nicht beliebig weitergeführt werden kann. Zudem wurde gezeigt, dass die Gründe der Einkommensprobleme der Landwirtschaft und die Ursachen der ökologischen Krise in einem von der Realität losgelösten Anspruch der Geldkapi-taleigentümer nach unbegrenztem Wachstum liegt. Dieser Anspruch ist so nicht durchführbar. Daraus leitet sich ab, dass das Recht auf Ernährungssouveränität gegen die Postulate des Freihandels, die Landwirtschaft weiter zu dezimieren, vorangestellt werden muss und somit entgegen früheren Zugeständnissen nicht Gegenstand uneingeschränkter Wachstumsvorstellungen des Handels sein kann.
Damit könnten Reformen, welche die landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz zu Gunsten von Handelsvereinbarungen reduzieren wollen, relativiert werden.
Konkret müssen folgende Schritte und Massnahmen ergriffen werden:
• Der Bodenschutz zu Gunsten der für die Ernährung notwendigen Landwirtschaft muss aufrechterhalten und gestärkt werden;
• Die Bauern und die Konsumenten in unserem Land (regionaler Bezug) müssen geschäftsmässig viel näher zusammenrücken. Die Bauern produzieren für die Konsumenten und die Konsumenten haben Einblick in die Produktion und können ihre Bedürfnisse durchsetzen. Durch einen Produzentenpool wird gesichert, dass die Geschäftslogik der Befriedigung der Kundenbedürfnisse Priorität hat. Investoren haben in Zukunft durch freie Entscheidung der Konsumenten und der Produzenten keine Möglichkeit den Ernährungssektor für eigene Interessen, die denjenigen der Kunden widersprechen, zu nutzen.
Es muss alles unternommen werden, um in der Schweiz eine hohe ökologische Qualität der landwirtschaftlichen Produktion zu erhalten. Die Produktion qualitativ hochstehender Lebensmittel ist Sache der Bauern vor dem Hintergrund der Konsumenten als Partner der einheimischen Bauern.
• Mittelfristig sind die Fragen des stabilen Bestandes einer qualitativ hochstehenden Landwirtschaft innerhalb der Industriegesellschaft sowie die übrigen Fragen einer stabilen, erneuerungsfähigen Volkswirtschaft gemeinsam zu lösen. Bei der Landwirtschaft treten gewisse Probleme zuerst und deutlich in Erscheinung. Es steht zur Diskussion, das Geldwesen einer demokratischen Kontrolle zu unterstellen.

Die SVIL wird sich mit diesen Fragen weiterhin befassen und vorerst einmal darauf achten, dass das Landwirtschaftsland nicht geschmälert wird und die Landwirtschaft ihre Kundenähe nutzt, um den Lebensmittelmarkt zusammen mit den Konsumenten unter Einbezug der Verarbeitung und Verteilung zu bestimmen.

Die SVIL hat den statutarischen Auftrag, den nicht verbauten Boden zu schützen, sich für eine rationelle Nutzung des Bodens im Gegensatz zum Bodenverschleiss einzusetzen. Es geht nicht eigentlich um Grünhaltung im Sinne des „Unberührtlassens“. Der Ansatz ist ein anderer:
Es ist der aus dem 19. Jahrhundert datierende innenkolonisatorische Reformge-danke gegen die aufkommende Verstädterung, dass eben auch in der neu entstandenen Industriegesellschaft aller Ertrag aus dem Boden kommt, plus was wir daraus durch Arbeitsorganisation, also im sozialen Zusammenwirken in der Arbeitsteilung aus diesen aus dem Boden gewonnenen Stoffen machen. Mehr ist nicht zu verteilen. Doch, je besser die Menschen ihre Arbeit organisieren, umso mehr Güter können sie herstellen und umso mehr können sie konsumieren, umso mehr bekommen sie Freiheit...
Dieser Stofffluss und dieser Energiefluss muss mehr oder weniger auf erneuer-barer Grundlage stattfinden. Sonst ist das Projekt von beschränkter Dauer.
Wenn wir also den Boden als biologischen Sonnenkollektor erhalten wollen, so ist das rational und ein zentrales Lebensthema für die Wirtschaft, also für die wirtschaftenden Menschen. Es geht also nicht darum, den Boden zu erhalten, weil man ein Stück Natur retten will gegenüber der fortschreitenden Zivilisation, „die sowieso niemand aufhalten kann“. Es geht vielmehr darum, den Boden in seiner erneuerbaren Funktion zu erhalten wegen der Grundrente im obigen, um die industrielle Dimension erweiterten Sinne. Das und die damit verbundene Fähigkeit zur Refinanzierung unserer Strukturen ist ein zentral wirtschaftliches Anliegen. Nichts ist falscher als die Ordnungsvorstellung, hier seien einerseits die zu schützenden Grünflächen und auf der anderen Seite sei „die Wirtschaft“. „Die Wirtschaft“ fusst eben auf dem Boden. Der Boden als Rohstoff- und Energie-lieferant ist die Grundlage der Wirtschaft.
Rein aus der heutigen Perspektive des Geldes betrachtet, könnte man meinen, das sei nicht so. Aus der reinen Geldperspektive nämlich behindere der Boden, der nicht als Geldanlage und zur Überbauung frei zugänglich sei, die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn diese Logik dominiert, die darin besteht und sich auch erschöpft, dass allein noch zwei Preise verglichen werden, nämlich ein Quadratmeterpreis für Bauland à 600 Franken und ein Quadratmeterpreis für Landwirtschaftsland von 8 Franken (wegen der Preisbeschränkung durch das bäuerliche Bodenrecht) und ich daraus ableite, ein Bodenpreis à 600 Franken verzinst bringe mehr Ertrag als die Landgutrente aus landwirtschaftlicher Nutzung und einem Ertragswert von 70 Rappen pro Quadratmeter, dann ist es logisch, dass alles der Überbauung zustreben muss.
Jetzt wäre eigentlich nur noch zu prüfen, wie gross denn eine solche Supermetropole Schweiz oder Westeuropa werden darf, bis sie mangels Erneuerbarkeit und Refinanzierbarkeit zusammenbricht. Das geschieht zur Zeit deswegen nicht, weil die Ressourcenmittel noch zur Verfügung stehen, diesen aufwendigen Prozess der Wertbildung zu stützen.

Solange der Rechtsanspruch besteht, dass private Finanzkapitalien wachsen können müssen, ist eine Ausdehnung der Warenwirtschaft und zwar, wie Prof. Hans Christoph Binswanger gezeigt hat, durch zunehmenden Energie- und Stoffverbrauch unausweichlich. Das heisst, der Rechtsanspruch des Geldes, selbst unbegrenzt wachsen zu können, führt unweigerlich einen Zwang auf die Physis aus. Und weil auch die Arbeitseinkommen an diesen Prozess sich ausdehnender Leistungserbringung gebunden sind, sind die ökologischen Postulate ökonomisch nicht „rational“ und nicht durchführbar. Der Verschleiss, also der Zwang, das Geldkapital in einer immer umtriebigeren Wirtschaft in ununterbrochen erweiterter Form platzieren zu müssen, ist somit fester Bestandteil des wachsenden BSP.
Also gelingt es nicht, den Boden als erneuerbare Produktionsgrundlage frei zu halten.

Geht das Geld in die Gebiete mit tiefen Lohnkosten und kombiniert seine mitgebrachte Technologie mit den dortigen niedrigen Löhnen, so erwirtschaftet es Monopolprofite, die wieder in die Weltzentren zurückfliessen, wo sie den Wachstumsprozess der Zentren abermals, aber auch immer mehr nur selektiv vorantreiben, - wie Paul Samuelson vor einem Jahr gewarnt hat, dass nämlich der Einkommenszerfall in den Weltzentren durch die Verlagerung der Industrie in die Billiglohnländer nicht durch Billigeinkaufen bei Walmart wettgemacht werden kann. Die Preisgabe der Landwirtschaft kann langfristig nicht aufgehen.

Wir müssen diesen aufgezeigten Widerspruch wirtschaftlich lösen. Wir müssen zuerst einmal verstehen, was läuft und, wie Prof. Ralph Dahrendorf in einem Interview mit der NZZ ins Sils kürzlich sehr ernüchtert festgestellt hat, was uns bleibt, ist aufzuklären, halt aus einer Minderheitsposition heraus. Wenn wir diese Aussage als Halbwertszeit der Desillusionierung seit 1989 nehmen, lösen sich noch eine Menge anderer Illusionen des grossen Aufbruches auf.

Die an natürliche Kreisläufe gebundene Landwirtschaft hat in einer hochpro-duktiven Industriegesellschaft nicht ein ausreichendes Einkommen, weil sie bei den Wachstumsraten der Industrie nicht mithalten kann, und zwar ist das uner-heblich, auf welcher Stufenleiter der Betriebsgrösse diese Landwirtschaft im Länderquervergleich sich befindet. Alle Farmer und Bauern auf der Welt haben ähnliche Einkommensprobleme.
Hier stecken ähnliche Probleme wie beim Preisvergleich mit dem Boden: Boden als Teil der Immobilienwirtschaft oder Boden als Quelle der Grundrente im umfassenden Sinn. Die Nahrungsmittelproduktion - von Bauern im Rahmen der natürlichen Kreisläufe betrieben - ist vom Kapitalanlegerstandpunkt aus zuwenig einträglich. Daraus kann der Investor ein Geschäft machen, wenn er erstens die Bauern aus diesem Metier vertreibt, zweitens die Prozesse der Biologie, die bisher jedermann zugänglich waren, zum Gegenstand neuer Formen der Eigentumsbil-dung an der Natur und der Wertschöpfung selbst macht und drittens die Bedin-gungen der Herstellung der Lebensmittel wie auch deren Verarbeitung und Verteilung selbst gestaltet. Es besteht offensichtlich ein Zwang zur dauernd gesteigerten Verarbeitung und Umarbeitung der Naturstoffe, um Wertschöpfung hinzufügen zu können, und zur „Eroberung“ der Lebenswelt der Konsumenten aus reinen Kapitalerwerbsgründen, nicht zuletzt gegen den erklärten Willen der Konsumenten. Diese zahlen dann trotz ständig sinkender Preise, welche die Bauern erhalten, auch ständig höhere Laden- oder Endpreise.
Zusätzlich - und das ist das Neue an der jetzigen Moratoriumsdiskussion - gewinnt man den Eindruck, dass auch die Forschung selbst diesem gesteigerten Druck des Anlegers nach gesteigertem Kapitalerwerb zu dienen hat und nicht dem Bedürfnis der Bevölkerung und der Konsumenten nach Aufklärung und gesunden Lebensmitteln. Der nach aussen kommunizierte wissenschaftliche Stand befindet sich zur Zeit immer noch auf dem Niveau „es ist noch keiner an GVO-Nahrung gestorben“ - wir erinnern uns an den britischen Minister, der zu Beginn der BSE-Krise am Fernsehen zusammen mit seiner 10-jährigen Tochter ein Steak verzehrte, um zu beweisen, dass er dabei nicht stirbt - nachher kam alles ganz anders, und vor allem die Bauern hatten den ökonomischen Schaden. Diese Landwirtschaft ist auch ein Teil der Wirtschaft! Wir können unter dem enormen Erwerbsdruck also nicht einmal mehr dem wissenschaftlichen Klärungsbedürfnis nachleben. Gibt es dann Probleme, ist abzusehen, dass dann die Gentechfirmen reparieren helfen wollen. Also auch mit Pannen ein sicheres Geschäft, denkt der Investor.
Die Freihandelsverhandlungen mit den USA berühren auch den Rückgang der amerikanischen Exporte in die Schweiz und nach Europa wegen Hormonskan-dalen und gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln. Die Konsumenten bei uns haben frei entschieden und wollen keine Hormone im Essen. Das Problem ist aber auch hier, dass aus dem reinen Erwerbsdruck heraus versucht wird, durch Auf-weichung der Deklarationspflicht, die Wahrheit in der Lebensmittelproduktion direkt anzugreifen.

In Anbetracht der skizzierten Konflikte, bleibt uns nicht anderes übrig, als uns mit dem Geld zu befassen und über seine Wirkungsweise aufzuklären. Das hilft uns, in den Fragen über unsere Landesentwicklung, unseren Boden, unsere Landwirtschaft und unsere Ernährung zusätzliche Sachargumente zu gewinnen und mindestens eine gewisse Würde in den Argumenten beizubehalten.


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Ivi Muri, Unternehmer, Sursee
Gedanken eines Unternehmers, warum braucht die Industrie eine landeseigene Landwirtschaft mit genügend eigenem Boden?
Wenn Menschen nichts zu essen haben, dann brauchen sie auch kein Geld mehr: wie das Geld erfunden wurde und wie dies mit der Landwirtschaft zusammenhängt.
Wie Wirtschaftskrisen entstehen, Menschen von Nahrungsmitteln abgeschnitten werden und wie wir dies verhindern könnten.

Alle sieben Sekunden verhungert heute noch ein Mensch. Wollen wir dies in einer zivilisierten Gesellschaft weiterhin tolerieren ? Wollen wir es uns leisten angesichts dieser Tatsache in der Schweiz produktives Ackerland verganden zu lassen, wie es gewisse neliberale Kreise fordern ? Wenn wir das Geld wie in früheren Zeiten wieder durch Grundnahrungsmittel wie Reis und Kartoffeln oder Getreide eichen, dann können wir nicht nur der Hungerkatastrophe begegnen. Die Landwirtschaft wird sinnvollerweise wieder zur wichtigsten Industrie und rentabel. Rentabler als das Tauschen von Aktien an der Börse. Dies dürfte im Zeitalter der Vogelgrippe sicher vielen Menschen als sinnvoll erscheinen.
Bereits in der historisch ältesten Geldwährung, die wir kennen, dem Schekel, der historisch ersten Goldwährung, wurde Gold gegen Getreide aufgewogen, weil wir letztlich von Getreide leben. Gold können wir nicht essen. Folglich ist eine unkontrollierte Geldentwicklung fragwürdig. Das Geld sollte wieder geeicht werden, z.B. mit Lebensmitteln. Das würde verhindern, dass der Preis der natürlichen, frisch gewonnen Produkte oder Rohstoffe bei wachsender Geldmenge und steigender Kaufkraft der Bevölkerung immer mehr absinkt. Das führt unnötigerweise dazu, dass die Einkommen unserer Bauern systematisch zerstört werden, ohne dass fehlende ökonomische Effizienz der Landwirtschaft das rechtfertigen könnte.
Denn heute entwickelt sich das Geld durch privatrechtliche, unbegrenzte Wertschöpfung völlig unkontrolliert zu riesigen Geldsummen, während auf der real-dinglichen Seite die Natur, der Boden, die Pflanzen, die Tiere und auch die Menschen ja nicht beliebig mit dem Geld mitwachsen können. Indem heute die Geldmenge sich zu ungeahnten Dimensionen aufbläht, aber z.B. der Boden konstant bleibt, entsteht durch diesen Vorgang eine Verzerrung der Preis- und Lohnkosten, welche die bodennahe Arbeit und die bodennahen, landwirtschaftlichen Produkte zwangsläufig und, je mehr das Geldwachstum fortschreitet, immer mehr unterbewertet.
Ein wirtschaftlicher Aufbau ist ohne eigene Ernährung gar nicht möglich. Aber die Ernährung benötigt kostendeckende Preise. Wenn aber die Geldmenge unkontrolliert wächst, so haben die Bauern nicht mehr genügend Einkommen und die Ernährung kommt zum Erliegen. Zwischenzeitlich kann ein Land versuchen, sich aus einer anderen Gegend zu ernähren. Aber das ist nur möglich, wenn das Land ständig genügend Produkte und Dienstleistungen exportieren kann, um den Nahrungsmittelimport bezahlen zu können. Ivo Muri zeigte, wie zur Zeit Geldkapital inklusive Know-how in Länder mit tieferen Kosten verschoben wird. Mit den billiger hergestellten Produkten werde der Markt in den Industrieländern konkurrenziert. Aber schliesslich werden anderen Territorien die Lebensmittel für den eigenen gewerblich/industriellen Aufbau entzogen. Auf die Dauer ist eine solche Versorgung aus dem globalen Hinterland nicht möglich.
Ivo Muri schlägt vor, dass wir, wie das bereits im 19. Jahrhundert vorgeschlagen wurde, das Geldwesen wieder einer demokratischen Kontrolle unterstellen müssen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass Geld nicht zu reinen Vermögensverschiebungen missbraucht wird. Die derzeitige Privatisierung aller Strukturen, die bei der Gründung des freiheitlichen, liberalen Staates öffentlich gemacht und der privaten Kontrolle entzogen wurden, führt auf privater Investorenseite zu riesigen Vermögensbildungen und andererseits zu einer Verarmung der Gesellschaft in den Bereichen des Bildungswesens, der Kultur und der sozialen Sicherheit.
Zielsetzung: Geldwirtschaft und reale Wirtschaft sollen sich generationenübergreifend nicht entkoppeln. Die Demokratie fordert von der Wirtschaft
• eine Grössenbeschränkung: Nationen und Regionen haben eigene Währungen mit eigenen „Getreidespeichern“.
• eine Machtbeschränkung: das Geld wird durch Staatsbanken kontrolliert. Die Staatsregale werden nicht aufgelöst sondern bewusst behalten. Das „Monopoly“-Spiel der privaten Anleger ist begrenzt.
• ein sinnvoller Zins als Abgabe für Leistungen, die aus anderen Wirtschaftstätig-keiten entlöhnt werden müssen. Zins kann nicht eine Quelle von Werten sein, die wie in der Alchemie von selbst entstehen.
• Keine Spekulation und kein Hunger mehr: Das Geld soll durch Nahrung geeicht werden. Dann sind die heutigen Verzerrungen der Einkommen, die den Hunger indirekt verursachen, nicht mehr möglich.
• Kein Kolonialismus mehr: die Staaten sind frei ihre Freihandelszonen zu bilden, mit wem sie wollen (Beispiel EFTA). Ebenfalls soll eine Kapitalverkehrskontrolle eingeführt werden.
• Wissenschaft soll wieder frei forschen dürfen und nicht ideologisch missbraucht werden.

Siehe auch Power-Point-Präsentation von Ivo Muri:


Peter Bisang, Innovationsmethodik, Balzers
Der Anlagegeldfluss in den Boden- und Immobilienbereich - Auswirkungen auf Gesamtwirtschaft und Gesellschaft
Nimmt das Geldkapital ständig und unbeschränkt zu, so folgt daraus ein „Anlagegeldfluss in den Boden- und Immobilienbereich.“ Im Referat von Peter Bisang wurde gefragt, welches die Auswirkungen auf Gesamtwirtschaft und Gesellschaft sind. Das ständig wachsende Geld versucht eine Form zu finden, wo es langfristig gesichert bleibt und zusätzlich maximale Erträge realisieren kann. Mit Geldkapital werden vermehrt Mergers und Acquisitionen getätigt. Dabei werden unrentable Betriebszweige abgestossen, extreme Rationalisierungsprogramme durchgezogen, Geld in Forschung und Entwicklung eingespart. Zudem wird das Geld an attraktiven Standorten investiert, weil hier die Chance zu den gewünschten Bodenpreissteigerungen am höchsten ist.
Letztlich wird gezielt das noch nicht überbaute, logistisch günstig gelegene Landwirtschaftsland gekauft und überbaut, weil auch hier Wertsteigerungen viel schneller realisiert werden können als in der Industrie.
In Geld ausgedrückt liegt die jährliche Wertsumme der realen Welt und Wirtschaft bei 3'000 Milliarden $. Der Gesamtwert des im Kapitalmarkt jährlich umgeschlagenen Geldes beträgt 100'000 Milliarden $. Das Interesse, in gewerbliche und indu-strielle Tätigkeit zu investieren, sinkt. Es wird verstärkt nach Arbitrage Ausschau gehalten. Das steigert nochmals das Angebot an flüssigem Geld. Dadurch entsteht zur Zeit eine regelrechte „Kapital-Anlage-Not“ und ein enormer Kapitalüberhang.
Es wird weltweit zuwenig investiert: „Einen weiteren Erklärungsansatz für das niedrige Zinsniveau sieht der IWF in den &Mac226;ungewöhnlich niedrigen Investitionsraten aller Unternehmen weltweit, vor allem aber in Europa und Asien'. Nach Be-rechnungen von JP Morgan haben die Unternehmen in den sechs grössten Wirt-schaftsnationen zwischen 2000 und 2004 zusammen mehr als tausend Milliarden Dollar gespart. Mit diesem Geld wurden zunächst Schulden zurückbezahlt und die Bilanzen bereinigt. Viele Firmen haben zudem eigene Aktien zurückgekauft und ihren Anteileignern häufig höhere Dividenden ausgeschüttet. Allein die etwas mehr als 100 grössten deutschen Aktiengesellschaften hatten laut Handelsblatt-Firmen-check bereits 2004 mehr als 100 Milliarden Euro Kassenbestand aufgehäuft. Tendenz steigend. Diese Sparpolitik jedoch hat dazu geführt, dass zum einen Anlagemöglichkeiten von den Finanzmärkten verschwunden sind, während gleich-zeitig den Investoren Geld zurückgegeben worden ist, das sie nun händeringend wieder reinvestieren wollen...“ in: Das grosse Zinsrätsel von Robert von Heusin-ger, Die Zeit, Nr. 40, 29. September 2005.
Dieser fehlende unternehmerische Wille, Geld in der Produktion zu investieren, korreliert mit einer gesteigerten Geschäftstätigkeit im Immobilienbereich in landschaftlich attraktiven, verkehrsmässig optimal erschlossenen und investitionssicheren Gegenden. Die Schweiz bietet im Mittelland mit seinen Flüssen und Seen aber auch im Berggebiet dazu die Voraussetzungen. Die Verstädterung der Schweiz ist vorprogrammiert, weil ihre eigene mittelständische Wirtschaft durch diese als Folge der Immobilientätigkeit überhöhten Bodenpreise stark behindert ist.
In dieser Situation ergibt sich eine landschaftliche Ausbeutung im Immobiliensektor (Beispiel St. Moritz), aber neuerdings auch eine Ausbeutung im Bereich der Rohstoffe wie dem Wald. Da die Sägereien in der Schweiz mit einem hohen Kostenumfeld zu kämpfen haben, ergibt sich für ausländische, z.B. österreichische Sägereien, den Holzbestand in der Schweiz „aus einer Hand“ rationell abzuernten bzw. in einer grösseren Regien zu erschliessen und zu transportieren. Das Projekt geht davon aus, dass namhafte Infrastrukturkosten/-ausbauten durch die öffentliche hand getragen werden. Die Angaben über den Transport des Holzes per Bahn dürften viel zu optimistisch sein.


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Thomas Brändle, Kantonsrat Kt. Zug, Unterägeri
Der reiche Kanton Zug - der volkswirtschaftliche Reichtum aus Sicht eines Gewerblers
Vom Agrarkanton zur Handelsmetropole.

Im Kanton Zug wird die Preisgabe des Getreidebaues wegen dem Ausbau der Eisenbahnen (Arlbergbahn) in der Zeit um 1880 datiert. Bereits 1866 wurde die Anglo Swiss Condensed Milk & Co gegründet, die 1905 mit der Nestlé fusionierte. 1903 wurde das Domizilprivileg für anonyme Erwerbsgesellschaften zuerst im Kanton Glarus und dann in weiteren Kantonen eingeführt.
1914 wurde der Ackerbau wieder eingeführt und die Melioration der Reussebene in Angriff genommen. Eine liberale Haltung gegenüber der Besteuerung von sogenannten Briefkastenfirmen führt dazu, dass sich Briefkastenfirmen, Steuermillionäre, Bank- und Finanzgesellschaften mit hohem Ausländeranteil im Kaderbereich in Zug niederlassen. 1958 gab es in Zug 10 Domizilgesellschaften, 1969 sind es bereits 1'406 an der Zahl, mehr als Landwirtschaftsbetriebe.
Ab 1977 übersteigt die Zunahme an gezählten Holdinggesellschaften das schweizerische Mittel. Affären um den Handels- und Finanzplatz Zug. Eine zugerische Initiative „Gegen den politischen Einfluss von Verwaltungsräten erhält 37% der Stimmen.
Dadurch kommt eine eigentliche Reichtumsspirale in Gang, wo der Zufluss an Geldvermögen die Bodenpreise und Mietzinse und in der Folge die Lebenshaltungskosten nach oben treiben. Die Marc Rich-Affäre und die Zubetonierung des Kantons sind Ausdruck einer fremdbestimmten Entwicklung, die erste handfeste Zweifel am Sinne der Entwicklung aufkommen lassen. Der Zusammenhang zwi-schen zufliessenden Geldvermögen und der dienstleistungsorientierten Überbau-ung des Kantons dringt ins öffentliche Bewusstsein.
Die Erosion des Zuger Nährstandes (Landwirtschaft und Gewerbe) könnte durch die volle Personenfreizügigkeit, weiterhin wachsende Lebenshaltungs- und Mietkosten, sowie die Submissionsbestimmungen zunehmen.
Jedenfalls zeigt das Beispiel Zug, dass die Hochpreisinsel Schweiz mit dem Handels- und Finanzplatz korreliert und nicht mit der Landwirtschaft, welche unter dieser Preisentwicklung zusätzlich belastet wird.


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Claude Lüscher, arcoplan Lüscher, Pfister + Partner, Ennetbaden
Hindernisse beim Schutz des guten landwirtschaftlichen Bodens (am Beispiel des Sachplans Fruchtfolgeflächen SP FFF)
Der Bundessachplan Fruchtfolgeflächen ist in der Verordnung zum Raumplanungsgesetz verankert. Fruchtfolgeflächen sind Ackerböden, auf denen längerfristig Ackerbau mit konstanten Erträgen unter Einhaltung einer bestimmten Abfolge der Kulturen betrieben werden kann. Ackerböden haben deswegen gegenüber anderem Landwirtschaftsland wie dem Grünland einen besonderen Stellenwert, weil sie im Notfall zur Pflanzenproduktion für den Menschen ohne den Umweg über die tierische Veredlung bedeutend mehr Menschen ernähren können, als wenn mit landwirtschaftlichen Böden zuerst tierisches Eiweiss hergestellt wird, das dann der menschlichen Ernährung dient. Wenn sich der Mensch direkt von pflanzlichen Produkten ernährt, ohne Umweg über die Fleischproduktion, dann kann die Ernährung mit bis zehnmal weniger Fläche gesichert werden. Dies geht jedoch nur auf entsprechend für den Ackerbau geeigneten Böden. Deshalb müssen diese Flächen für die Versorgung auch in Zeiten einer eingeschränkten Zufuhr von Lebensmitteln zur Verfügung stehen. Die Bereitstellung dieser Fruchtfolgeflächen ist über den Bundessachplan den Kantonen übertragen worden. Die Kantone haben auf Anweisung des Bundes rund 440'000 ha der besten ackerfähigen Böden durch Massnahmen der Raumplanung zu schützen.

Es ist bis heute nicht gelungen, die seit 1985 von der Bodenkundlichen Gesellschaft der Schweiz erarbeiteten pedologischen Kriterien den Kantonen zur Ausscheidung ihrer Flächen verbindlich vorzugeben. Deshalb werden laufend beste Böden überbaut, ohne dass es darüber ein nachvollziehbares Monitoring gibt.

Um die Fruchtfolgeflächen zuverlässig zu bestimmen, genügt es nicht einfach den Ackerbaustellenleiter zu fragen, welche Böden in der Vergangenheit unter dem Pflug standen. Fruchtfolgeflächen müssen besondere Bodeneigenschaften bzw. Qualitäten wie Gründigkeit und Durchwurzelbarkeit, Wasserhaushalt, Struktur, Tragfähigkeit, Speicherfähigkeit von Wasser, Nährstoffen, Durchlüftung etc. aufweisen. Die Einflüsse auf die Bodenbildung sind vielfältig. Sie betreffen Topographie, Geländerelief, Klima, unterschiedliches geologisches Ausgangs-gestein, aber auch die Nutzung durch den Menschen etc..
Bodenkundliche Fachleute haben deshalb wissenschaftliche Methoden entwickelt, wie man Böden erfasst und bewertet.

Leider verfügen nur wenige Gemeinden über detaillierte Bodenkarten, die über die Bodeneigenschaften Auskunft geben.

Es ist deshalb zu befürchten, dass die rund 440'000 ha Fruchtfolgeflächen nicht mehr vollumfänglich vorhanden sind.
Die agrarpolitische Unterwanderung des Bodenschutzes kann nicht hingenommen werden, zumal das Recht auf eine Ernährungssouveränität nicht in Frage gestellt werden darf.

Die Siedlungsgebiete gehen historisch auf die ursprünglichen Bauerndörfer zurück. Diese wurden regelmässig auf guten landwirtschaftlichen Böden angelegt. Deshalb haben wir heute verständlicherweise einen starken räumliche Konflikt zwischen der weiteren Entwicklung des Siedlungsgebietes und den guten landwirtschaftlichen Böden. Um diesen Konflikt zugunsten einer optimalen Erhaltung der guten landwirtschaftlichen Böden zu sichern, sind detaillierte Bodenkarten sehr wichtig. Die Bodenkundliche Gesellschaft leitet ein Projekt &Mac226;Bodeninformation Schweiz'. Es geht um die Rettung und Sicherung der in der Schweiz gesammelten Bodenprofildaten. Es wurden Konzepte, Grundlagen und Werkzeuge erarbeitet zur Ablage, Verwaltung und Nutzung der vorhandenen (und neuer) Bodendaten. Die bei verschiedenen Bundesinstitutionen und Kantonen vorhandenen Bodenda-ten sollen gesichert, gesichtet und nutzbar gemacht werden. Eine BodenInforma-tions- und KoordinationsStelle BIKS soll geschaffen werden (www.soil.ch).

Die Fruchtfolgeflächen sind erstmals in der Verordnung über die Raumplanung vom 26. März 1986 umschrieben und festgelegt worden.
Der Sachplan Fruchtfolgeflächen wurde 1992 vom Bundesrat beschlossen. Er war das Ergebnis einer 10-jährigen Vorarbeit der Kantone, welche die Fruchtfolgeflächen in ihren kantonalen Richtplänen ausscheiden und nachweisen mussten. Die Ausscheidung der FFF hat eine lange Geschichte. Sie kann nachgelesen werden in einer an der ETH durchgeführten Arbeit von Carole Zeindler, die von der Home-page des Bundesamtes für Landwirtschaft heruntergeladen werden kann.

Gemäss Bundesratsbeschluss 1992 wurde für jeden Kanton ein Mindestumfang der durch raumplanerische Massnahmen zu sichernden Fruchtfolgeflächen vorgegeben. Für die gesamte Schweiz sind dies 438'560 ha. Die Kantone wurden be-auftragt, die ihnen zugeteilten Flächen raumplanerisch zu sichern und dem Bund regelmässig über den Vollzug Bericht zu erstatten. Die Fläche von 438'560 ha ist die Grundlage des Ernährungsplanes gemäss Raumplanungsverordnung Art. 26, Abs.3.
Die Erfassung der Fruchtfolgeflächen ist jedoch nicht nach einheitlichen, für alle gleichermassen gültigen Kriterien geregelt. Der Bund wollte das nicht. Es gibt deshalb in der Schweiz 26 verschiedene Arten Fruchtfolgeflächen zu bestimmen. Die Verantwortung für dieses Chaos liegt deshalb beim Bund.

Acht Jahre nach dem Bundesratsbeschluss von 1992 richtete der Vortragende selbst im Jahre 2000 eine Anfrage an den Bund, wie der Vollzug stehe.
Er hatte über den Stand der Dinge einen Bericht verfasst, der ebenfalls auf der Homepage des ARE heruntergeladen werden kann. Festzuhalten ist, dass die Mindestfläche von rund 440'000 ha FFF zwar noch vorhanden ist, dass aber die Spielräume der Kantone äusserst gering geworden sind. Die FFF werden deshalb stark unter Druck kommen.
Interessanterweise hat diese Frage keine grossen Wellen geschlagen. Weil es seit dem 2. Weltkrieg keine Versorgungsprobleme mehr gab, ist dieser Sachplan allmählich in Vergessenheit geraten. Bei verschiedenen Gemeinden und Kantonen ist ein Unwille festzustellen, diese Fruchtfolgeflächen überhaupt zu schützen. Dadurch werden fortlaufend beste Böden überbaut: 1m2 pro Sekunde. Damit wird das Risiko in Kauf genommen, dereinst die notwendigen Flächen nicht mehr zur Verfügung zu haben. Der Bund hat zwar die Absicht bekundet, den Sachplan FFF zu revidieren. Eine Vernehmlassung bei den Kantonen über dieses Vorgehen hat derart konträre Reaktionen von Seiten gewisser Kantone gezeitigt, dass der Bund nun auf eine Revision des Sachplanes FFF verzichtet hat. In ein paar Jahren soll ein Ressourcenplan Boden, den der Bund angekündigt hat, an die Hand genommen werden.
Auch kommt die Erarbeitung eines Leitfadens zur fachlich korrekten Bestimmung von Fruchtfolgeflächen mit ziemlicher Verspätung, weil die Ansichten der Kan-tone zur Zeit zu verschieden sind!
Deshalb wird unser Boden, den wir für die Landwirtschaft reservieren sollten, ungehindert weiter überbaut. Vor allem werden jedoch die wertvollsten Böden, nämlich die Fruchtfolgeflächen überbaut. Der Bauprozess geht weiter. Damit vollzieht sich die Verlagerung unserer notwendigen Landwirtschaftsfläche ins Ausland. Zu welchen Lasten beanspruchen wir diese Flächen? Die Kantone be-ginnen schon beim Bund die Verkleinerung der ihnen zugeteilten Fruchtfolgeflä-chen zu beantragen. Zudem stellt sich wegen den Auswirkungen der WTO für die Schweizer Landwirtschaft die Frage, ob sie überhaupt noch Ackerbau betreiben soll? Das sind keine guten Signale. Es stellt sich mit Edgar Pisani, dem langjäh-rigen Agrarminister Frankreichs, die Frage, ob ein Volk kein Recht auf eine eigene Ernährungssouveränität hat? Wie rechtfertigen wir diesen Bodenverbrauch gegenüber den Nachfahren? Soll die Schweiz in 30 Jahren überbaut sein? Auch ist auf die Versorgung durch den globalen Markt kein Verlass, und die Wirkung weltwei-ter Seuchen wie die Vogelgrippe zeigt, wie störanfällig unsere globale Ordnung eben weiterhin bleibt. Deshalb braucht es eine Mindestfläche an besten Acker-böden als Notvorrat.

Es braucht einen nationalen Diskurs, eine Auseinandersetzung um diese Fragen, bei der alle Akteure aufgerufen und gefordert sind. Diese Frage darf nicht den Agrarpolitikern, den Raumplanern oder den Landschaftsschützern allein überlassen werden. Zur Ernährungssicherung gehören nicht nur genügend Fläche geeigneter Böden, sondern auch das Know-how der Bewirtschafter. Die Weltbevölkerung wächst. Auch andere haben ein Recht auf Ernährung.

Die Hindernisse zur Festlegung der Fruchtfolgeflächen sind folgende:
• Heute immer noch fehlende bodenkundliche Grundlagen;
• Politiker und Raumplanungsfachleute sind noch immer nicht genügend sensibilisiert für den Bodenschutz und die Bedeutung von qualitativ guten Böden, auf denen langfristig zu konstanten Erträgen Ackerbau betrieben werden kann.
• Der Einkommensdruck auf die Landwirtschaft verengt die Betrachtung auf den Boden als Produktionsfaktor und vernachlässigt die ganzheitliche Sicht des Bodens als Lebensgrundlage.
• Agrarpolitisch und von der aktuellen Absatzmarktlage her begründete Meldungen über „zu viel Ackerfläche“ wirken sich bei in der politischen Willensbildung zugunsten der vom Sachplan Fruchtfolgeflächen vorgeschriebenen Mindestflächen verheerend aus.
• Aufweichungstendenzen im Raumplanungsrecht zu Gunsten der Paralandwirtschaft schaden auch der Idee des Schutzes der guten Böden.


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Werner Grimm, Landwirt, Herrenschwanden
Der Boden aus Sicht des Bauern: Produktionsmittel oder Vermarktungsobjekt der Paralandwirtschaft bei Öffnung von Raumplanungsgesetz und Bodenrecht
Die Doppelnatur unseres Bodens:
Boden ist für unsere kleinflächige Schweiz nebst Wasser und Luft eine unvermehrbare existenzielle Lebensgrundlage.
Boden ist einerseits für die Existenz des Bauern eine Produktionsgrundlage und für die Bevölkerung eine Grundversicherung in Notzeiten - aber auch als Folge der liberalen Eigentumsordnung ein Kapitalanlageobjekt.
Boden ist deshalb als Sachwert belehnbar, der als Sicherheit für Kredite dient und gehandelt und
spekuliert wird.
Wenn aber die Substanz erhalten werden soll, dann kann der Boden nicht Ware sein, dann sind seiner Belehnbarkeit und seinem Preis Grenzen gesetzt.
Wenn ein Bauer eine Bodenfläche von 20 ha zum Ertragswert übernimmt, muss er jährlich mit einer Landgutrente von Fr. 6500.- rechnen. Wenn er aber Verkehrs-wertpreise bis Fr.25.-/m2 für das Land einsetzten müsste, dann wäre der Bodenzins rund Fr. 200`000.- pro Jahr. Er müsste also seine Produktenpreise mehr als verdoppeln nur wegen den höheren Bodenpreisen. Das ist nicht möglich, also muss der Bodenpreis möglichst tief sein.
Was versteht man unter Ertragswert? Der Ertragswert entspricht dem Kapital, das bei einem landesüblich bewirtschafteten Landwirtschaftsbetrieb zu einem durchschnittlichen Zinssatz für erste Hypotheken verzinst werden kann. Das Kapital verteilt sich im Wesentlichen auf Boden und Bauten. Wenn der Bodenpreis an den Ertragswert gebunden ist, heisst das, dass eine Preisentwicklung des Bodens mit der allgemeinen Wohlstandsentwicklung nicht möglich ist.
Wenn diese Preisbeschränkung wegfällt, dann würde der Bodenpreis sofort ansteigen zusammen mit der Teuerung der Löhne und Preise. Für die Landwirtschaft selbst sind jedoch solche Preiserhöhungen von Anfang an kaum zu verkraften, weil die Landwirtschaft die steigenden Preise und die steigenden Kosten nicht mit einer beliebigen Ausweitung der Produktion kompensieren kann, wie das in der Industrie möglich ist. Deshalb hat die Schweiz bereits 1912 im ZGB Korrekturen eingeführt. Dies war die erste Korrekturmassnahme, um der Landwirtschaft in einem Umfeld steigender Preise durch Einschränkungen der Bodenpreise im Erbgang die Existenz zu sichern.

Wenn nun neuerdings die FAT vorschlägt, man könne die Ertragswertbeschrän-kung getrost wieder aufheben, und weiter behauptet, dies führe lediglich zu mehr Pachtland im Eigentum der nicht ausbezahlten Miterben, so verkennt sie die Wirkung dieser Interessengruppe, die den Boden nicht mehr selber bewirtschaftet, auf die Raumplanung. Hier entsteht ein enormer Druck, diese potentiellen Werte als Bauland bei nächster Gelegenheit zu realisieren. Es gibt Kreise, welche das Raumplanungsgesetz aufweichen wollen und dazu die Landwirtschaft vorschieben. Dass die FAT (Eidgen. Forschungsanstalt Tänikon) sich dafür einspannen lässt, ist bedauerlich. Es zeigt uns Bauern aber sehr deutlich, dass die Agrarbüro-kratie einen anderen Auftrag hat und die Landwirtschaft nicht mehr schützen will. Im Gegenteil, die Forschungsanstalt erhält Geld, um Überlegungen und Gedan-ken zu verbreiten, welche dazu dienen, die bisherigen Errungenschaften zu beseitigen.

Die Preisbeschränkung (der Ertragswert) ist ein Vermögensverzicht der Bauern und ein Schutz des Bodens von Zweckentfremdung im Interesse der Bevölkerung, damit sie eine eigene Landwirtschaft behalten kann.

Die landwirtschaftliche Produktionsfläche wird jedes Jahr von Siedlungsflächen und öffentlichen Bauten um 1 m2/sec. oder 40 Quadratkilometer pro Jahr geschmälert (in den letzten 12 Jahren 172 Quadratkilometer). Zusätzlich werden für Erholung und naturnahe Auen, Parklandschaften, Flussrenaturierungs- und öko-logische Vernetzungsprojekte nochmals 300 000 Hektaren, zum grossen Teil landw. Produktionsflächen, stillgelegt. Von den 1 Million Hektaren der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz gelingt es nicht einmal, die kaum 200 000 Hektaren der besten Ackerböden vor der sich beschleunigenden Zweckentfremdung zu schützen.

Ein Viertel des Wachstums des Bruttoinlandproduktes geht auf den Wohnungsbau. Zur Zeit werden 40'000 Neubauwohnungen pro Jahr erstellt. Das entspricht ziemlich genau unserem jährlichen Einwanderungszuwachs von rund 60'000 Per-sonen, also jede Jahr eine Stadt Luzern dazu.

Weil also der Baudruck auf das freie Land weiter ansteigt, wird nun eine Raumplanungs- und Bodenrechts-Reform anvisiert, um diese Gesetze aufzuweichen. Offensichtlich wird auch die AP 2011 voll für diese Zwecke, die sich gegen den Schutz des Bodens richten, eingesetzt.
Damit wird versucht, den öffentlich-rechtlichen Schutz der Übernahme zum Ertragswert unter 1.25 SAK (Standardarbeitskraft) aufzuheben. Man hofft dadurch 6000 Familienbetriebe zum Aufgeben des Produzierens zu bringen. Dies geschieht offenbar nicht schnell genug über die ehemals eingeführte Preisbeschrän-kung des Bodens. Damit kann kein Nachfolger den Betrieb vollständig zum Ertragswert übernehmen und somit geht der Betrieb ganz oder zum grossen Teil zum Verkehrswert in die Erbteilung und die Landwirtschaft wird dann häufig aufgegeben. Das Land wird als Pachtland verpachtet und Preisbeschränkungen als öffentlich-rechtlicher Schutz würden ebenfalls wegfallen, und es würden sich wieder Verkehrswerte für Landwirtschaftsland ergeben, was gesamthaft den Baulanddruck und den Geldverwertungsdruck auf das Landwirtschaftsland wieder ansteigen lässt.

Die Behauptung der Agrarreform 2011, dass durch die Öffnung von Raumplanungsgesetz & Bodenrecht den im Beruf verbleibenden Landwirtschaftsbetriebe die horizontale Aufstockung mit dem am freien Markt ausgesetzten Land & Pachtland erleichtert werde, ist irreführend und falsch.
Landwirtschaftlicher Landzukauf und auch Zupacht zu übersetzten Preisen sind bei heutigen Produktionspreisen für einen normalen Landwirt ohne Baulandverkauf nicht mehr möglich. Somit werden eine immer grössere Zahl nichtlandwirtschaftlicher Bodeneigentümer in Agglomerationslagen an einer Überbauung ihres Landes interessiert sein.
Dieses Interesse - kombiniert mit der Öffnung des Raumplanungsgesetzes - wird nun je nach Lage auf die Preise einwirken, die sich an den Bauzonenpreisen orientieren werden.

Nach Art.104 der Bundesverfassung bilden die Landwirtschaftszone, das Boden-recht und der Ertragswert die Preisbegrenzung für eine landw. existenzielle Pro-duktionsgrundlage für die Zukunft, die nicht ein belehnbarer Sachwert darstellt, der nicht den allgemeinen Wirtschaftsfortschritt durch Preiserhöhungen kopieren kann, sondern eben von der Sache her gar nicht Objekt der Belehnung im Sinne des kapitalistischen Eigentumsbegriffs sein kann.
Boden ist und bleibt für die Landwirtschaft eine Produktionsgrundslage zum Produzieren und für die immer wachsende Bevölkerung Erhaltung von Lebens-raum und Ernährungsgrundlage in Notzeiten.
Die durch die liberale Grenzöffnung für landw. Produkte bedrohte und politisch immer weniger wichtige wertschöpfende landw. Produktion darf nicht durch eine gleichgesetzte bodenfremde Paralandwirtschaft ersetzt werden, welche den Er-tragswert und das Bodenrecht als weitere Zukunft einer produzierenden Land-wirtschaft in Frage stellt.
Wir brauchen gegen immer grösser werdenden wirtschaftlichen und kapitalen Druck eine Raumordnung und gesetzlichen Schutz, um nicht von fremden Territorien vollständig abhängig zu werden.


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Christine Hürlimann, Slow Food Schweiz, Zürich
Ernährung im 3. Jahrtausend im Spannungsfeld von Zerstreuung, Übersättigung und wissenschaftlichen Erkenntnissen (back to the future)
Hier geht es nun um die Konsumentensicht. Slow Food steht für lokale und traditionelle Produktionsmethoden, die eine gewisse Landwirtschaftsfläche in der Nähe der Konsumenten beanspruchen. Die Kernfrage der Bedürfnisse des Konsumenten im dritten Jahrtausend ist, ob diese wirklich so verschieden sind von den Bedürfnissen des Konsumenten in der Vergangenheit. Das ist nicht der Fall, wie auch wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen. Der Mensch hat nur eine Gesundheit. Frische Produkte aus seiner Umgebung fördern und erhalten seine Gesundheit.
Die Lebensmittelqualität nimmt drastisch ab ohne regionale Frischversorgung. Der scheinbare wirtschaftliche Nutzen des Billigimportes und der Convenience-Produkte wird durch die deutlich ansteigenden Krankheitskosten um ein Vielfaches übertroffen.
Wir leben in einer Zeit starker Veränderungen. Die Landwirtschaftsbetriebe über 30 ha nehmen zu. Die Betriebe unter 20 ha suchen Zusammenschlüsse, um Kosten zu senken, etc.. Auch das Leben des Konsumenten ist durch moderne Hektik geprägt. Wir gehen am Mittag nicht mehr nach Hause, um das Mittagessen einzu-nehmen wie früher. Freizeitgestaltung und Statussymbole widersprechen oft den Erfordernissen der Gesundheit oder der gesunden Ernährung. Andere Prioritäten sind aktuell. 1950 wurden in der Schweiz 30% des Haushaltseinkommens für die Ernährung ausgegeben, 1975 sank dieser Wert auf 15% und 2002 waren es noch 8,4%. In der gleichen Zeit sind die Ausgaben für Transport von 3% auf 12% gestiegen. Wir geben für unsere Mobilität mehr aus als für die Ernährung. In dieser Hektik leidet die Qualität unserer Lebensmittel. Zur Beruhigung kaufen wir Label-produkte und hoffen so die Defizite an Qualität zu kompensieren. Produktion und Verteilung/Verarbeitung werden immer mehr rationalisiert. Unsere fünf grössten Lebensmittelverteiler decken bereits 80% des Marktes ab. Das ist ein Teufelskreis, weil die Konsumenten mehr Leistungen wollen, die jedoch immer billiger zu haben sein sollen. Letztlich geht das nur auf Kosten der Qualität. Hier ist der Konsument auch gefordert. Für das moderne Leben ist zwar Convenience ideal. Man weiss, was man hat, wie lange die Zubereitungszeit dauert. Man braucht weniger lang zu kochen, steht jedoch heute viel länger im Stau. Bei den Convenience-Produkten sind die Gesundheits- und Umweltkosten, welche durch diese Art ausgelöst werden, im Preis nicht enthalten. Denn wir müssen uns fragen, ob länger und intensiver verarbeitete Nahrung, welche dadurch zu toter Nahrung wird, plus Stress und ein gewisses Suchtverhalten eigentlich unseren wahren menschlichen Bedürfnissen entsprechen? Gemäss der Maslow-Pyramide zeigt sich, dass die Ernährung fundamental ist. Ist die Ernährung gut, so wirkt sich das auf den ganzen Menschen aus. Ist die Ernährung schlecht und bedroht sie die Gesundheit, so nützen alle nachgelagerten Stufen der Selbstverwirklichung nichts.
Deshalb kann man sagen, dass die Bedürfnisse des modernen Menschen nach Gesundheit und Lebensmitteln, die das leisten, immer noch dieselben wie die unserer Vorfahren geblieben sind.
Slow Food ist die Antwort auf Fast Food. Es sollte etwas getan werden gegen den Verlust an Ess- und Geschmacksvielfalt. Die Slow Food Bewegung zählt heute weltweit 80'000 Mitglieder. Wir setzen uns ein für das Recht auf Genuss und bevorzuge regionale saisonale Produkte. Slow Food verlangt eine nachhaltige und artgerechte Landwirtschaft und Fischerei, regionale Geschmacksvielfalt und die erprobten qualitativ hochstehenden Formen der Lebensmittelproduktion sollen erhalten bleiben. Wir setzen uns auch für den Schutz der biologischen Vielfalt ein und eine umweltgerechte Produktion mit einem hohen Gehalt an Energie, Vitaminen, essentiellen Nährstoffen, Geschmack, etc..
Die sogenannte moderne, verarbeitete Ernährung ist ungesund, da auch zu fetthaltig. Jeder dritte Schweizer ist übergewichtig. 80% der Patienten in unseren Spitälern haben Herz-/Kreislauferkrankungen. Die Kosten entsprechen einem Mehrfachen dessen, was wir für die Ernährung ausgeben. Wir nehmen durch die verarbeiteten Produkte aber auch eine zusätzliche Menge an Schwermetallen, PVC-Weichmachern, Acrylamide etc. auf. Aber auch zu lange Lagerungs- und Kochzeiten zerstören die Qualität. Der Mensch braucht _ kg frisches Obst und Gemüse pro Tag. Freilandtiere und Freilandgemüse haben ebenfalls höhere Gesundheitswerte. Auch bei der Schlachtung spielt der Gesundheitsfaktor eine Rolle. Gestresste Tiere verlieren an Lebensmittelqualität. Wir wissen viel über die gesunde Ernährung. Die Ernährung bestimmt auch unsere Gedanken, unsere Stimmungen, unsere Kreativität...
Es ist viel Platz vorhanden für eine lokale Landwirtschaft. Immer mehr Schweizer essen Gemüse und Obst. Aber erst 2/3 der Schweizer essen täglich Obst und erst 4/5 essen täglich Gemüse. Der durchschnittliche Konsum liegt sogar erst bei 150 Gramm anstatt der Sollmenge von 500 Gramm. Deshalb meine ich „Back to the Future“, weil die Ernährung wieder naturnaher und frischer wie bei unseren Vor-fahren werden muss. Der Unterschied liegt heute darin, dass wir wählen können. Wir wollen Frischmilch und „Metzgete“ und dennoch die Bequemlichkeit, beim Grossverteiler einzukaufen. Auf der anderen Seite produzieren Landwirtschafts-betriebe Produkte, wie sie die Grossverteiler zugunsten der eigenen Verarbeitung verlangen.
Deshalb soll der erste Schritt im Sinne von „Back to the Future“ darin bestehen, Produzenten und Konsumenten wieder bewusst zusammenzubringen. Die Landwirte müssen sich neu organisieren, um ihren eigenen Absatz zu fördern. Sie müssen eng mit den Konsumenten zusammenarbeiten, damit sie ihre Produktion auf die Bedürfnisse der Konsumenten abstimmen können. Dazu bietet sich der von der SVIL vorgeschlagene Service-Pool an. Um das Modell zu verbreiten ist viel Kommunikationsarbeit nötig. Dazu gehören die Grossverteiler, die informiert werden müssen. Aber auch die Krankenkassen und die Arbeitgeber, welche tiefere Prämien und weniger Krankheitstage bezahlen müssten, haben einen direkten Nutzen.
Back to the Future heisst, dass die Frischanbieter sich herausheben müssen, sie müssen zeigen, dass sie einen Mehrwert verkaufen, sie müssen für die Konsumenten eine Erlebnisumgebung schaffen, ihre Frischekompetenz unterstreichen, die Gesundheitsfaktoren kommunizieren, und die Produkte sollen ihre Geschichte erzählen...

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Josef Kunz, Nationalrat, Landwirt, Grosswangen
Das Interesse der Landwirtschaft gegen vorzeitige Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen.
Zur aktuellen agrarpolitischen Lage erlaube ich mir folgende Vorbemerkung:
Ich bin Landwirt und bewirtschafte einen Milchwirtschaftsbetrieb und habe 23 ha. Ich habe damals mit 10 ha begonnen. Ich habe also gemacht, was die Politik sagt: wettbewerbsfähig werden, Betriebe vergrössern etc.. Wir stehen vor der Revision der AP 2005. Mit der Einführung der AP wurden folgende Ziele gesetzt:
- Preisdifferenz zu den Importprodukten verringern; was ist passiert? Die Landwirtschaft hat die Preise um 25% gesenkt, trotzdem bezahlt heute der Konsument 15% mehr.
- Ziel: wettbewerbsfähig werden; was ist passiert? Es sind 30'000 Betriebe einge-gangen, die verbleibenden Betriebe haben sich vergrössert und das landwirtschaftliche Einkommen hat stagniert. In der übrigen Wirtschaft muss ein solcher Struk-turwandel die Wertschöpfung verbessern. In der Landwirtschaft gilt das offenbar nicht. Trotzdem will man in der AP 2011 so weiterfahren, obwohl man weiss, dass man keinen Erfolg haben wird, weil gegen diese Mächte, die wir heute hier dargelegt haben, von der Landwirtschaft her nicht aufzukommen ist.

Wenn ich nach der letzten Volksabstimmung in der Zeitung gelesen habe, dass der Bundesrat sagte, wir haben das Volk überzeugt, dann wird es in dem Stil weitergehen. Denn die Meinung des Volkes ist nicht gefragt und wird als manipulierbar angesehen. Ich trage gerne den Namen des oppositionellen Bauern, weil ich unabhängig bin, in keinem Verwaltungsrat bin, keiner grossen landwirtschaftlichen Organisation angehöre und meine eigene Meinung unabhängig vertrete.
Nochmals zur letzten Volksabstimmung und dem Ausspruch des Bundesrates, wir haben das Volk überzeugt. Wenn economie suisse zusammen mit dem Bauernverband ins gleiche Boot sitzt, nachdem man vorher die Landswirtschaft bekämpft hat und ihr die Produktionsberechtigung abgesprochen hat, dann ist klar, dass aus einem solchen Verhalten oder Taktieren keine gültigen Resultate kommen können. Es ist ja nicht möglich, dass man die Seiten je nach Geldsegen beliebig wechselt.

Noch ein Letztes zu den Vorbemerkungen: die landwirtschaftliche Produktion ist in Frage gestellt, ich will mich zur damit verbundenen Frage, wo denn die Ernährungssicherheit bleibt, nicht äussern. Aber die produzierende Landwirtschaft ist die kostengünstigste Form zur Erhaltung unserer Landschaft. Aber die Hauptsache ist die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerte Wertschöpfung von 30 und mehr Milliarden Franken. Wenn wir die produzierende Landwirtschaft besei-tigen, nimmt auch die vor- und nachgelagerte Wirtschaft grössten Schaden. Das müssen wir diesen Verbänden sagen. Die Schweiz hat nur eine Zukunft, wenn wir die Wertschöpfung nicht immer mehr ins Ausland verlagern. Gerade jene, die das bei uns propagieren, sind die letzten, die ihre Löhne auf das EU-Niveau anpassen. Vom Mittelstand in der Schweiz verlangt man, dass er seine Preise dem EU-Ni-veau anpasse. Aber jene, die das verlangen, gehen nicht mit ihrem Beispiel voran und senken ihre Löhne auf das EU-Niveau.
Das als Vorbemerkung.

Nun zur Genschutz-Initiative:

Die Genschutz-Initiative, welche ein generelles Verbot wollte, wurde im Jahre 1998 mit grosser Mehrheit abgelehnt. Somit sagte das Schweizervolk vor allem im medizinischen Bereich ja zur Gentechnologie mit dem Auftrag an den Bundesrat, die Gesetze dieser Technologie anzupassen. Dies betraf vor allem das Umweltschutzgesetz, das Tierschutzgesetz, das Landwirtschaftsgesetz, das Produktehaftpflichtgesetzt sowie die Deklaration. Der Bundesrat wollte ursprünglich die notwendigen Anpassungen in diesen Gesetzen vornehmen. Der Ständerat hat aber in der Sommersession 2001 ein eigenes Gentechnikgesetz vorgeschlagen.
Im Jahre 2002 wurde das Gentechnikgesetz zu Ende beraten. Ein fünfjähriges Moratorium für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen wurde knapp abgelehnt. Ebenso wurde es abgelehnt, das Moratorium ins Landwirt-schaftsgesetz aufzunehmen.
Anschliessend wurde die Volksinitiative für gentechfreie Landwirtschaft mit 130'000 Unterschriften eingereicht, über die am 27. November abgestimmt wird.
Was will die Initiative?
Das Moratorium von 5 Jahren umfasst gentechveränderte Pflanzen und Saatgut, welche für den landwirtschaftlichen Anbau bestimmt sind. Weiter will die Initiative den Import , sowie die Züchtung von gentechveränderten Wirbeltieren verbieten. Im medizinischen Bereich ist die Gentechnik unbestritten, ebenso ist die Forschung vom Moratorium klar ausgenommen. Der grosse Unterschied im Bereich Medizin und Forschung zur Freisetzung in der Umwelt ist folgender: In der Medizin, aber auch in der Forschung, bleibt die Gentechnik lokalisiert, im Gegensatz zur Freisetzung in der Umwelt. Dort sind die Risiken bis heute nicht abschliessend geklärt.
Konsumenten wollen keine Gentech-Produkte. Im heutigen Zeitpunkt lehnen gegen 80 Prozent der Konsumenten Gentech-Produkte (GVO) ab. Der Landwirtschaft wird immer geraten zu produzieren, was der Konsument verlangt. Würde die Landwirtschaft heute GVO anbauen, käme dies einer Provokation des Konsumenten gleich. Zudem würden beim Anbau von GVO die Kosten in der Verarbeitung massiv ansteigen, weil der Warenfluss auf allen Stufen klar getrennt werden müsste. Höhere Kosten sind sicher nicht im Interesse der Landwirtschaft und noch viel weniger im Interesse der Konsumenten.
In der Schweiz gibt es kein Nebeneinander.
In der klein strukturierten schweizerischen Landwirtschaft wird es keine gentech- und gentechfreie Landwirtschaft nebeneinander geben. Stellen Sie sich die kleinen Getreideparzellen gegenüber der EU oder gar Kanada und USA vor. Jede Parzelle in der Schweiz hat 2-3 Nebenparzellen, die allenfalls gentechfrei bleiben sollten. Die Vermischung durch Pollenflug ist also programmiert und nicht vermeidbar. Ein Mähdrescher arbeitet in einem Tag in mehreren Parzellen. Wie soll hier eine Vermischung verhindert oder die Warenflusstrennung garantiert werden. Aus diesen Gründen stellt sich nicht die Frage, wie viel GVO angebaut wird, sondern es ist eine Frage der Zeit, wann GVO angebaut wird.

Die Forschung nicht betroffen.
Die Forschung ist vom Moratorium nicht betroffen und hängt wohl kaum an der schweizerischen Landwirtschaft. Ich wäre froh, wenn die gleichen Kreise unserer Landwirtschaft in anderen Belangen einen ebenso hohen Stellenwert zugestehen würden.
Freisetzungsversuche sind erlaubt und können weitergeführt werden. Mit der Auslagerung der Forschung zu drohen ist für mich unverhältnismässig und nicht nachvollziehbar. Vielmehr erwarten wir von der Forschung in den nächsten Jahren Erkenntnisse, wie sich GVO-veränderte Pflanzen auf die Umwelt, den tierischen Körper und die Verdauung auswirken.

Die Landwirtschaft ist Ihnen dankbar.
Die schweizerische Landwirtschaft ist immer mehr internationalen Märkten ausgesetzt. Die Landwirtschaft kann ihre Produktion nicht wie Teile der Industrie auslagern. Vielmehr ist unsere Landwirtschaft gezwungen im hohen Kostenumfeld Schweiz zu produzieren. Wir sind uns einig, dass wir Bauern bei diesen Bedingungen nie zu vergleichbaren Preisen wie in der EU Nahrungsmittel anbieten können. Kommt dazu, dass die Verarbeitung in der Schweiz bis zu 30Prozent mehr kostet als etwa in der EU. Auch zu berücksichtigen ist, dass unsere Landwirtschaft durch die bilateralen Verträge II und WTO weiter unter Druck kommt. Deshalb ist es von ausserordentlicher Wichtigkeit, dass sich unsere Produkte nicht bloss im Preis, sondern auch in der sorgfältigen Produktion im Bezug auf Tierschutz, Ökologie und Gentechnik vom Ausland abheben. Dazu bietet sich der Landwirtschaft eine ausserordentliche Chance, unsere Produkte gentechfrei als Spezialität im In- oder Ausland zu positionieren. Ich bin überzeugt, dass wir je länger je mehr nur mit Spezialitäten eine Chance haben. Dies könnten auch gentechfreie Produkte sein. Gerade die bilateralen Verträge zeigen, wie schwierig es ist, unsere Produkte, sprich Käse, in der EU zu positionieren und zusätzliche Märkte zu gewinnen. In der klein strukturierten Landwirtschaft der Schweiz werden nicht eine gentechfreie- und eine Gentech-Landwirtschaft nebeneinander Platz haben. Ein weiterer Grund also, hier zurückhaltend zu sein. Deshalb ist es für unsere Landwirtschaft ausserordentlich wichtig, dass der Volksinitiative zur gentechfreien Produktion zum Durchbruch verholfen wird. Nur so erhalten wir Bauern den nötigen Spielraum, die Lage nach Ablauf des fünfjährigen Moratoriums neu zu beurteilen. Deshalb gilt die Empfehlung, der Initiative zuzustimmen.


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Diskussionsbeitrag:

Dr. Ernst W. Alther, Gründungsmitglied der Schweizerischen Bodenkundlichen Gesellschaft, erster Präsident der Arbeitsgruppe Bodenschutz der BGS, Herausgeber des Dokumentes Nr. 2 der BGS
Durch die Annahme der Wirtschaftsartikel Ende der 70er Jahre war es erst möglich, ein Umweltschutzgesetz zu schaffen. Die damals neu gegründete Bodenkündliche Gesellschaft der Schweiz setzte sich dafür ein, dass der qualitative du quantitative Boenschutz in den Artikeln 133 und 135 des Umweltschutzgesetzes verankert wurden. Augrund dieser Artikel wurden in den Kantonen die Bodenschutzfachstellen eingerichtet. Die BGS setzte sich dafür ein eine Leitfaden zum Ausscheiden der Fruchtfolgflächen zu verfassen. Dieser Leitfade wurde 1985 herausgegeben leider schon damals aus politischen Gründen nicht an die Kantone und Gemeinden verteilt. Dies hatte nun zur Folge, dass die bisher ausgeschiedenen Fruchtfolgeflächen nicht alle den Qualitätsanforderungen genügen. Da der Verbrauch bester Böden unvermittelt weitergeht, ist es besonders nachteilig, wenn bei den Amtsstellen keine Übersicht über die erhobenen Flächen und die angewandten Qualitätskriterien besteht. Das verhindert und verunklärt immer wieder jede ernsthafte politische Diskussion über den Verlust der besten Ackerböden, den wir uns nicht mehr leisten können. Die jetzige und angekündigte Revision des Raumplanungsgesetzes und des Bäuerlichen Bodenrechtes gehen in die falsche Richtung und erfolgen ohne Gesamtkonzept, wie das Ständerat Thomas Pfisterer in der NZZ vom 30. September 2005 unmissverständlich dargelegt hat.

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